Start Nachrichten Region: Unzufriedenheit bei HWK und IHK nach Corona-Beschlüssen

Region: Unzufriedenheit bei HWK und IHK nach Corona-Beschlüssen

HWK Schwaben befürchtet Insolvenzwelle bei betroffenen Betrieben

Die Lockdown-Verlängerung kommt angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen zwar nicht überraschend, sie ist aber ein großer Schock für viele Handwerksbetriebe, die direkt oder indirekt von Schließungen betroffen sind. Für sie gibt es erneut keine Perspektive für Öffnungen. „Dass der Politik wieder einmal nicht mehr einfällt, als die vor zwei Wochen beschlossenen, leichten Öffnungen einfach wieder zurückzunehmen, ist ein Armutszeugnis“, erklärt Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerkskammer für Schwaben (HWK). „Angesichts eines weiterhin fehlenden Planungshorizonts, dazu auch noch stockender oder unzureichender Überbrückungshilfen, werden viele Betriebe nicht überleben“, so Rauch weiter.

Vielen Handwerksbetrieben droht der Kollaps

Mit der erneuten Lockdown-Verlängerung wird wahrscheinlich ein Kollaps des Gesundheitssystems vermieden – dafür aber ein breitflächiger Unternehmenskollaps heraufbeschworen.
Direkt betroffen sind zum wiederholten Male die handwerklichen Gewerke mit Ladengeschäften, also z.B. Gold- und Silberschmiede, Maßschneider, Uhrmacher oder Keramiker. Diese stehen erneut praktisch ohne Geschäftsgrundlage da. „Dabei ist die Kundenfrequenz in diesen Läden einfach zu steuern. Die Dienstleistungen können mit ffp2-Maske erbracht und die Kontakte nachverfolgt werden“, zeigt Rauch Unverständnis für deren Schließung und die nur sehr vage Aussicht auf Öffnung nach den Osterferien abhängig von niedrigen Inzidenzwerten.
Hinzu kommt eine ganze Reihe mittelbar betroffener Gewerke, in denen wegen des Lockdowns wichtige Abnehmer fehlen. Durch das Geschlossenbleiben von Gaststätten und Hotels brechen etwa den Textil- und Gebäudereinigern oder zuliefernden Lebensmittelgewerken wichtige Kundengruppen weg. Bäcker, Konditoren und Metzger haben zudem noch massive Einbußen ohne ihre Cafés bzw. Mittagsimbisse. „Und jetzt nimmt man diesen gebeutelten Betrieben durch die „erweiterte Ruhezeit“ auch noch in Teilen das Ostergeschäft weg“, ergänzt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der HWK Schwaben.
Dramatisch steht es auch um alle Gewerke rund um Messen, Ausstellungen und Veranstaltungen, denen jegliche Perspektive fehlt.

Unternehmen bezahlen Versäumnisse der Politik

Um wirtschaftliches Leben in der Nach-Corona-Zeit wieder in Schwung zu bringen sowie Beschäftigung und Ausbildung zu sichern, werden gerade auch unsere Handwerksbetriebe als Rückgrat der deutschen Wirtschaft gebraucht. „Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung ein ergänzendes Hilfsprogramm für die besonders schwer und für eine lange Zeit betroffenen Unternehmen entwickeln will“, erklärt Wagner. Allerdings werde dies nur wirken, wenn die Hilfen – anders als bei vorherigen Maßnahmen – wirklich unbürokratisch beantragt werden können und sehr schnell ankommen.
Politische Versäumnisse vor allem beim Impfen und bei der digitalen Nachverfolgung von Infektionsketten müssen aktuell von der Wirtschaft teuer bezahlt werden. Gerade beim Impfen als zentralem Element zur Pandemiebekämpfung hakt es weiter erheblich mit fatalen Folgen. „Hier sieht man mal wieder, dass sich die Bürokratie selbst im Wege steht. Und so gibt es wieder keine Alternativen zu einer perspektivlosen Lockdown-Verlängerung“, ergänzt Rauch.
Dies ist umso unverständlicher, als mit umfangreichen Hygienekonzepten und Testungen weit mehr Instrumente als vor einem Jahr zur Verfügung stehen. Sie müssen nur entsprechend zum Einsatz kommen und die Wirtschaft wird dazu ihren Beitrag leisten. „Für das Handwerk ist dies durchaus bemerkenswert, als unsere Unternehmen eher kleinbetrieblich strukturiert sind und Homeoffice für viele Gewerke kein Thema ist“, so Wagner weiter.
„Mit schnellem Impfen und Testen können wir – unabhängig von Inzidenzwerten – wieder mehr öffnen. Nur ein solcher Strategiewechsel kann eine hohe Insolvenzwelle in den betroffenen Handwerken verhindern“, fordert Rauch abschließend.

„Die Verlängerung des Lockdowns und die in immer mehr Regionen greifende Notbremse, lassen die Wogen in weiten Teilen der bayerisch-schwäbischen Wirtschaft hochschlagen“, kommentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Marc Lucassen die gestrigen Ergebnisse der Bund-Länder-Konferenz und die heutigen Beschlüsse des Bayerischen Ministerrats. Mehr und schneller Impfen ist der einzige Ausweg aus diesem Teufelskreis, flächendeckende Schnelltests bis dahin das Mittel der Wahl. „Weiterhin zahlen die Unternehmen die Zeche für zu langsames Impfen, Testen und Nachverfolgen.“
Immer mehr bayerisch-schwäbische Landkreise und kreisfreien Städte überspringen die Schwelle von 100 Corona-Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohnern innerhalb der letzten sieben Tage. Nach den Beschlüssen der Politik geht auch Bayerisch-Schwaben wieder Schritt für Schritt in einen harten Lockdown. Leidtragende sind erneut der Handel, der Tourismus und die verbrauchernahen Dienstleistungen, die hauptsächlich von den Corona-Schließungen betroffen sind – auch wenn es zumindest in Bayern Öffnungsperspektiven für die Zeit nach Ostern gibt.

Lieferketten und Arbeitsteilung setzen Planungssicherheit voraus
Bereits zu Jahresbeginn schickte der seit über viereinhalb Monaten andauernde Lockdown die bayerisch-schwäbische Konjunktur auf Talfahrt. Mit Ausnahme der Industrie, die in China und den USA gute Geschäfte macht, und der Bauwirtschaft, die unverändert vom niedrigen Zinsniveau profitiert, wurden alle Branchen vom Abwärtstrend erfasst. Lucassen: „Daher ist es unverständlich, dass nun auch die Industrie und das Baugewerbe kurzfristig auf einen Arbeitstag verzichten müssen. Komplexe Lieferketten und Arbeitsteilung setzen Planungssicherheit voraus.“

Kontaktarmer Urlaub ist eine Perspektive
Während sich für den Handel mit Click & Meet bereits eine erste Perspektive auch in der Krise aufgetan hat, ging der Tourismus bislang leer aus. „Der Vorschlag eines kontaktarmen Urlaubs im eigenen Bundesland setzte daher an der richtigen Stelle an. Umso ärgerlicher ist es, dass sich Bund und Länder nicht auf diesen Weg verständigen konnten“, stellt Lucassen fest. Dagegen sind aus Sicht der IHK Schwaben schon vor Ostern Öffnungen mit einem engmaschigen Test- und Hygienekonzept denkbar – auch um belastbare Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus gewinnen zu können, an denen es auch nach einem Jahr Corona-Krise fehlt.

Bildungschancen nicht verspielen
Große Sorgen bereiten der regionalen Wirtschaft zudem die bereits jetzt sichtbaren Folgen im Bildungssektor. 2021 wird ein weiterer Jahrgang mit geringeren Bildungschancen. Lucassen abschließend: „Die Folgen sind unmittelbar am Ausbildungsmarkt sichtbar. Der deutliche Negativtrend des Vorjahres setzt sich bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen fort. Die Unsicherheit in vielen Familien hält offensichtlich viele junge Menschen von einer Bewerbung ab – obwohl es trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten viele Angebote der Unternehmen gibt. Wir müssen daher alles tun, damit aus den Schulabsolventen von heute nicht die Ungelernten von morgen werden.“