Von den wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine sind auch die Unternehmen in Bayerisch-Schwaben betroffen. Drei Viertel der Unternehmen in der Region geben in einer IHK-Umfrage an, dass sie negative Auswirkungen deutlich spüren. „Besonders bei den explodierenden Energiepreisen muss die Politik jetzt eingreifen, da sich derzeit mit der Corona- und der Ukraine-Krise zwei enorme Herausforderungen überlagern und verstärken“, sagt Niklas Gouverneur vom Fachbereich Wirtschaftsforschung und Konjunktur.
In der repräsentativen IHK-Befragung sehen sich 75 Prozent der bayerisch-schwäbischen Unternehmen vom Krieg und seinen Folgen geschäftlich spürbar betroffen. Die Betroffenheit der heimischen Wirtschaft zieht sich quer durch alle Branchen. Auf einer Skala von 0 (keine Betroffenheit) bis 10 (sehr starke Betroffenheit) wird die wirtschaftliche Betroffenheit mit einem Mittelwert von 4,8 Punkten verortet. Große Unternehmen sind tendenziell mehr betroffen als kleine Unternehmen, die Industrie und die Bauwirtschaft mehr als der Dienstleistungssektor oder der Einzelhandel.
Unternehmen tragen die Sanktionen mit, die sie selbst treffen
„In den bayerisch-schwäbischen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen gibt es ein klares Bekenntnis zu den verhängten Sanktionen, auch wenn sich damit für sehr viele Unternehmen ein wirtschaftlicher Schaden verbindet“, berichtet Jana Lovell, Leiterin des Geschäftsfelds International, aus der täglichen Beratungspraxis heraus. Aus Sicht der befragten Unternehmen stellen insbesondere die hohen Energiepreise das größte Risiko dar (93 Prozent). Es folgt die Sorge vor ausfallenden Lieferanten bzw. Unterbrechungen der Lieferketten (70 Prozent) und fehlenden Gas- und Rohstofflieferungen (59 Prozent). Gouverneur: „Damit haben sich die Risiken im Vergleich zum Jahresbeginn nochmals spürbar verschärft.“ Zwischen den Branchen sind unterschiedliche Risikobewertungen sichtbar, allerdings sind die Energiepreise immer das größte Risiko.
Nur noch beschränkte Reaktionsmöglichkeiten auf die Krise
„Nach zwei Jahren Corona-Krise haben sich die unternehmerischen Möglichkeiten oftmals erschöpft, um auf eine erneute Krise zu reagieren“, stellt Lovell fest. Zwar planen die Unternehmen auch weiterhin Energie einzusparen (50 Prozent) oder nach alternativen Lieferanten zu suchen (32 Prozent), doch werden die meisten Unternehmen (62 Prozent) gezwungen sein ihre Verkaufspreise zu erhöhen – zu Lasten ihrer eigenen Absatzmöglichkeiten. „Der eigene Handlungsspielraum ist nach zwei Jahren Corona-Dauerkrise zusammengeschrumpft. Die Erhöhung der Preise ist daher für viele Unternehmen die letzte Möglichkeit, um auf den eigenen Kostendruck zu reagieren“, erklärt Gouverneur die Ergebnisse der IHK-Umfrage.
Politik ist jetzt gefordert
Nachdem die kurzfristigen Reaktionsmöglichkeiten auf die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs oftmals bereits ausgereizt sind, ist die bayerisch-schwäbische Wirtschaft auf die Unterstützung durch den Staat angewiesen. Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten zu können, erwarten sich die Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen vordinglich die Sicherstellung der Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. „Die Absenkung der Stromsteuer auf ein europäisches Mindestmaß sowie eine sofortige Bezuschussung der Übertragungsnetzentgelte durch den Bundeshaushalt könnten den Unternehmen kurzfristig eine kleine Atempause bei den Energiekosten verschaffen“, sagt Gouverneur. Mittelfristig sei die Reduzierung der Öl- und Gasimporte allerdings nur möglich, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland schneller voranschreitet. „Bei der Energiewende wünschen sich die Unternehmen deutlich mehr Konsequenz und Tempo, wenn wir in naher Zukunft unabhängiger werden wollen“, macht Gouverneur deutlich.
Risiken einer Stagflation mehren sich
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ukraine-Krise schlagen sich bereits in den konjunkturellen Prognosen nieder. So sind stagflationäre Impulse unverkennbar: Der Preisanstieg verfestigt sich, das wirtschaftliche Wachstum gerät stark unter Druck. Die Prognosen für die Entwicklung der Inflationsrate werden nach oben, für das Wirtschaftswachstum nach unten angepasst. Insgesamt wird sich die durch die Ukraine-Krise entstandene Unsicherheit auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Bayerisch-Schwaben auswirken – völlig unabhängig davon, wie lange die militärische Auseinandersetzung andauern wird. Lovell abschließend: „Wir befinden uns in einer Zeitenwende. Die über Jahrzehnte hinweg existierende Friedensdividende, beispielsweise aufgrund geringer Rüstungsausgaben oder weitestgehend freiem Handel in Europa, wird es auf absehbare Zeit nicht mehr geben.“