Die bayerisch-schwäbische Wirtschaft steht geschlossen zu Europa, wie eine Umfrage der IHK Schwaben zeigt. Doch die Unternehmen sehen Verbesserungsbedarf: Bürokratische Hemmnisse, die von der EU ausgehen, sind die größte Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft. „Dieser Aufgabe muss sich die EU-Politik nach der Europawahl stellen“, sagt Reinhold Braun, Präsident der IHK Schwaben. Das europäische Lieferkettengesetz, das vergangene Woche die letzte Hürde genommen hat, ist ein Beispiel dafür, wie es künftig nicht mehr laufen sollte: „Diese Richtlinie ist weder zielführend noch praxistauglich, sie bürdet den Unternehmen unnötige Pflichten auf“, so Braun.
Die Ergebnisse der aktuellen IHK-Umfrage unter Unternehmen aus Produktion, Handel und Dienstleistungen zeigen, wie hoch die Belastung durch bürokratische Regelungen bereits heute für die Wirtschaft ist: Für 98 Prozent der Unternehmen aus Bayerisch-Schwaben ist ein entschlossener Bürokratieabbau die wichtigste Aufgabe für das neu zu wählende Europäische Parlament, über dessen Zusammensetzung die Wählerschaften der 27 EU-Mitgliedsstaaten vom 6. bis 9. Juni entscheiden. Doch mit dem umstrittenen EU-Lieferkettengesetz ist eine Initiative auf dem Weg, die künftig gerade für viele auslandsaktive Unternehmen in der Region spürbar zu neuen Belastungen führen wird.
EU-Lieferkettengesetz bürdet der Wirtschaft neue Belastungen auf
Mit der formellen Zustimmung des Europäischen Rats in der vergangenen Woche ist das EU-Lieferkettengesetz offiziell verabschiedet. Vorausgegangen waren lange Diskussionen. „Die bayerisch-schwäbische Wirtschaft stand von Anfang an hinter dem Ziel, nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln in globalen Wertschöpfungsketten zu fördern“, sagt der IHK-Präsident. „Doch diesem Ziel wird die Richtlinie in ihrer jetzigen Form nicht gerecht. Sie ist unverhältnismäßig und könnte dazu führen, dass sich Unternehmen aus gewissen Regionen komplett zurückziehen.“ Zwei Jahre bleiben den Mitgliedsstaaten nun Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. „Wir hoffen auf eine bürokratiearme Umsetzung in Deutschland, die ausnahmsweise keine strengeren Auslegungen als in anderen EU-Ländern festschreibt.“
Energie und Fachkräfte haben Priorität für regionale Wirtschaft
Wie die IHK-Umfrage zur Europawahl ebenfalls belegt, sind für die bayerisch-schwäbischen Unternehmen neben Bürokratie viele weitere Themen von großer Bedeutung: die Sicherstellung der Energieversorgung, die für 63 Prozent der Befragten höchste Priorität genießt, gefolgt von der Fachkräftesicherung (59 Prozent), der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (52 Prozent) und dem Schutz der Unternehmen vor digitalen und analogen Angriffen (50 Prozent).
Wirtschaft braucht adäquate Rahmenbedingungen
Die IHK Schwaben wirbt aktiv bei ihren 144.000 Mitgliedsunternehmen und deren Beschäftigten mit einer Kampagne für eine Beteiligung an der Europawahl. Gleichzeitig macht IHK-Präsident Braun klar, welche wirtschaftspolitischen Forderungen wichtig sind:
So soll die künftige EU-Politik die Mittelstandspolitik stärker in den Fokus rücken, die immer noch zahlreich vorhandenen Hemmnisse im EU-Binnenmarkt abräumen, die Bürokratie spürbar mindern, neue Handelsabkommen abschließen und den europäischen Strombinnenmarkt stärken. „Um Wirtschaftswachstum zu generieren und den Wohlstand in Europa zu sichern, benötigen die Unternehmen adäquate Rahmen- und Standortbedingungen.“ Aus Sicht der bayerisch-schwäbischen Unternehmen ist die Attraktivität der EU als Unternehmensstandort in den vergangenen fünf Jahren gesunken. Dies berichteten 71 Prozent der Befragten. „Wir sind ein starker Wirtschaftsstandort, aber wir können unser Potenzial nicht komplett entfalten. Wir verkaufen wir uns weltweit unter Wert“, so Braun. „Das müssen wir ändern.“
IHK-Präsident Braun: „EU ist ein absolutes Erfolgsmodell“
Die IHK-Umfrage zur Europawahl belegt bei aller Kritik, dass die bayerisch-schwäbische Wirtschaft fest zur EU steht. Für 62 Prozent ist die politische Stabilität, die der europäische Einigungsprozess mit sich gebracht hat, der größte Gewinn der Gemeinschaft. Ähnlich wie die Währungsunion (58 Prozent) mit dem Euro als gemeinsames Zahlungsmittel sowie dem europäischen Binnenmarkt (45 Prozent), der den Zugang zu den Märkten der anderen Mitgliedsstaaten ermöglicht. „Die EU ist ein absolutes Erfolgsmodell“, sagt Reinhold Braun. „Ohne sie würde unser Wirtschaftsstandort massiv an Wohlstand verlieren. Daher ist es wichtig, dass wir die Errungenschaften der europäischen Einigung nicht in Frage stellen oder gar auf wirtschaftspolitische Abschottung setzen. Wir müssen stattdessen die EU aktiv mitgestalten“, so der IHK-Präsident.