Weil er die Pflegekasse um einen Millionenbetrag betrogen hat, ist der Bürgermeister der Gemeinde Seeg im Allgäu zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Eine Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth sprach den Lokalpolitiker Markus Berktold am Donnerstag unter anderem des Betrugs in 15 Fällen und der Untreue in 37 Fällen schuldig.
Der ehemalige Leiter des örtlichen Pflegedienstes erhielt eine Haftstrafe von drei Jahren und elf Monaten Jahren wegen 28-fachen Betrugs und versuchten Betrugs. Zugleich müssen die Angeklagten für den entstandenen Schaden aufkommen. Die Kammer ordnete für beide die Einziehung von Vermögen in sechs- beziehungsweise siebenstelliger Höhe ein.
Der Bürgermeister habe eine Vision für die Pflege in Seeg gehabt und zähle bis heute viele Unterstützer, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsbegründung. Doch letztlich seien Vision und Strafrecht kollidiert. Der Betrug sei keine Folge von Selbstüberschätzung gewesen, sondern eine bewusste Entscheidung des Angeklagten.
Die beiden Männer sollen während der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 bis 2022 bis zu 2,1 Millionen Euro aus dem sogenannten Pflege-Rettungsschirm zu Unrecht erhalten haben. Dazu sollen sie Rechnungen zum Teil gefälscht und nicht vom Rettungsschirm abgedeckte Leistungen abgerechnet haben. Der Betrug basierte auf einem Netz aus vier Firmen für den Betrieb der Pflege im Ort, denen der Rathauschef jeweils vorstand. Berktold soll zudem bei der Abwicklung eines Vereins Gelder auf sein Privatkonto überwiesen und dem Verein zustehende Pachtforderungen grundlos nicht geltend gemacht haben.
Der 42 Jahre alte ehemalige Leiter des Pflegedienstes soll zudem mit rund 270 000 Euro aus dem Pflege-Rettungsschirm private Schulden beglichen haben. Der Angeklagte räumte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Prozess vollständig ein. Zugleich belastete er den CSU-Politiker Berktold schwer.
Dieser habe gewusst, dass es sich um gefälschte Rechnungen gehandelt habe und habe diese auch selbst eingereicht, sagte er vor Gericht. So schilderte der Angeklagte etwa, wie er die Kosten für eine neue Schließanlage für eine Pflegeeinrichtung auf mehrere Rechnungen aufgeteilt und so als andere Posten bei der Pflegekasse geltend gemacht habe. Ihm wie auch dem Bürgermeister sei bewusst gewesen, dass dies nicht vom Pflege-Rettungsschirm abgedeckt gewesen sei.
Die Kammer hielt das Geständnis des Mitangeklagten für glaubwürdig. Es sei konsistent gewesen, zudem habe der Angeklagte auch seine Frau und Mutter seiner drei Kinder belastet.
Der Seeger Rathauschef dagegen hatte bis zuletzt jegliches gemeinsame Handeln mit dem Mitangeklagten bestritten und diesen der Lüge bezichtigt. Ein Verteidiger des 49-Jährigen hatte erklärt, dass sich sein Mandant zu keiner Zeit «auch nur einen einzigen Cent in die eigene Tasche gesteckt» habe. Alle Gelder seien ausschließlich in die Pflege geflossen. Die Verteidiger des Lokalpolitikers hatten zuvor für eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren wegen Untreue plädiert und für die anderen Vorwürfe einen Freispruch gefordert. Für den Pflegedienstleiter hatten dessen Verteidiger eine Haftstrafe von deutlich unter vier Jahren gefordert.
Die Ermittlungen in dem Fall hatte die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg geführt. Angeklagt wurde dabei auch die Frau des Pflegedienstleiters. Das Verfahren gegen sie wurde aus gesundheitlichen Gründen noch vor Prozessbeginn abgetrennt. Die nun gesprochenen Urteile sind nicht rechtskräftig.