Start Nachrichten Ostallgäu: Bauernhaus in Schwangau neues Zuhause für internationale Pflegeschüler der BRK

Ostallgäu: Bauernhaus in Schwangau neues Zuhause für internationale Pflegeschüler der BRK

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Dr. Hans Ketterl ermöglicht Vorzeigewohnprojekt in Schwangau
Erschwinglicher Wohnraum für angehende Pflegekräfte der Seniorenheime St. Michael und St. Martin

Fast scheint es, als hätte die ehemalige Pension von Irene Schindele in der Gemeinde Schwangau ihren Betrieb wieder aufgenommen. Neun junge Frauen und Männer aus Tunesien, Togo, Italien, Spanien oder Nigeria bewohnen zukünftig die Zimmer in dem über zweihundert Jahre alten Bauernhaus im Mitteldorf der Forggensee-Gemeinde. Doch anstelle von Ausflügen und Erholung werden sich Caterina d’Agostini, Mabel Martinez Robles, Nallives Madrigal Valle oder Elvis-Princewill Umemba und fünf weitere zukünftig um das Wohl der Bewohner in den beiden Seniorenheimen St. Michael und St. Martin im benachbarten Füssen kümmern. Sie alle nehmen an dem Projekt der Bundesagentur für Arbeit in Marktoberdorf, europäische und internationale Arbeitskräfte für die Pflege zu gewinnen, teil und benötigten dringend einen erschwinglichen Wohnraum.

Ich freue mich, das Projekt ‚internationales Wohnheim‘ zu starten“, so Vermieter Dr. Hans Ketterl bei der Feierstunde, „und wünsche euch, dass ihr neben der Ausbildung viele schöne Erlebnisse als internationale Gemeinschaft erlebt.“ Hans Ketterl hatte den Hof von seiner verstorbenen Tante, die aus einer angesehenen Schwangauer Sattlerfamilie stammte, geerbt. Ihre letzten Lebenstage verbrachte die über 90jährige Dame im Seniorenheim St. Michael des Bayerischen Roten Kreuzes. So entstand die Keimzelle des Projekts. Matthias Stroeher, Einrichtungsleitung des Füssener Seniorenheims, und Hans Ketterl kamen ins Gespräch über die zukünftige Nutzung des Anwesens. In dem Ehepaar Ketterl reifte der Gedanke, die Räume an Menschen zu vermieten, die durch ihre soziale Tätigkeit einen wichtigen Beitrag für die örtliche Gesellschaft leisten.

Unterstützung für ihr Vorhaben erfuhren sie von der Gemeinde Schwangau mit erstem Bürgermeister Stefan Rinke. „Wir stehen zu 100 Prozent dahinter und heißen die internationalen Auszubildenden willkommen.“ Er lobte das Engagement des privaten Eigentümers, dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, ausländischen Pflegekräften eine attraktive Heimat zu bieten und darüber hinaus Leerstand im Dorfkern zu vermeiden.“ Ebenso begrüßte er die Kooperation mit dem Bayerischen Roten Kreuz ausdrücklich. „Es ist wichtig, aktiv ausländische Mitarbeiter für die Pflege zu gewinnen, um dem Personalmangel gegenzusteuern.“

BRK Präsidentin Angelika Schorer betonte, dass das BRK ohne internationale Arbeitskräfte bereits heute den notwendigen Standard nicht aufrecht halten könnte. „Wir suchen deshalb junge, interessierte Menschen aus unterschiedlichen Ländern, die den Pflegeberuf erlernen möchten. Neben der eigentlichen Fachausbildung legen wir großen Wert auf das Erlernen der deutschen Sprache und unterstützen durch Nachqualifizierung.“ Sie zeigte sich dankbar, dass das Rote Kreuz durch die Bereitstellung der Liegenschaft für die internationale Wohngemeinschaft mitten in der Gemeinde Schwangau und mitten unter der heimischen Bevölkerung neue Wege beschreiten kann.

Matthias Stroeher ist seit Jahren der Motor, internationale Mitarbeiter zu gewinnen“, sagte Kreisgeschäftsführer Thomas Hofmann. In Zahlen heißt das, 35 verschiedenen Nationen arbeiten im St. Michael und die Hälfte der gesamten Belegschaft sind internationale Mitarbeiter. Diese Entwicklung müsse man weitergehen. Andernfalls bedeute es die Schließung von Heimen. Er plädiert an die Unterstützung der Politik und an die Hausbesitzer, die Ressourcen haben. Dies seien die Schlüssel für die Arbeitskräftegewinnung. „Dabei sehen wir uns nicht in Konkurrenz mit dem Tourismus, die ähnliche Bedürfnisse haben“, betonte er. Beides ist notwendig für die Region.

Welche Menschen ziehen in das Haus ein? Sie eint der feste Wille, eine Chance auf eine qualifizierte Ausbildung zu bekommen und diese zu nutzen. Sie haben alle in ihren Herkunftsländern berufliche Erfahrungen im Gesundheitsbereich gesammelt. Caterina d’Agostino sieht für sich in der Metropole Rom keine Perspektive und setzt auf die Ausbildung beim Roten Kreuz. „Health Care ist meine Welt“, sagt Elvis Umemba, der in Nigeria Optiker war. Sein Wunsch, in der Ukraine Augenmedizin zu studieren vereitelte der Krieg. „In Spanien ist Pflege ein Hochschulfach“, berichten Mabel Martinez Robles und Nallives Madrigal Valle. Sie haben schon in der Altenpflege gearbeitet, dürfen aber nicht studieren. Die Ausbildung in Füssen bietet ihnen eine persönliche wie berufliche Perspektive.

Innerhalb weniger Monate hatte Brigitte Ketterl im Bauernhaus eine häusliche Wohnatmosphäre geschaffen. Außerdem wurden die Sanitärräume erneuert. Die jungen Leute sind vor kurzem in ihre neue Heimat eingezogen und leben sich erst einmal ein. Doch vielleicht steht eines Tages – wie früher bei Irene Schindele an jedem Wochenende – ein selbst gebackener Zitronenkuchen auf dem Tisch im ehemaligen Frühstücksraum der Pension.

Foto: Claus Tenambergen / Marketingagentur Tenambergen