Ein Kommentar von Christian Kruppe
Redaktionsleitung RADIO SCHWABEN
Er hat es wieder getan. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder marschiert mal wieder voran. Drei Tage vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz hat Bayerns Oberhaupt das Zepter in die Hand genommen und seine Marschrichtung kundgetan. Der Lockdown soll bleiben. Ungeachtet der schwindenden Akzeptanz in der Bevölkerung, ungeachtet der drohenden Pleiten in der Wirtschaft. Und ungeachtet dessen, dass auch in Reihen seiner Partei schon lange kein vollständiger Rückhalt mehr da ist – so kann es jeder in der Süddeutschen Zeitung vom Freitag lesen. Mit Stefan Rößle (Donau-Ries) hat auch schon der erste CSU-Landrat vorsichtig die Wege des Ministerpräsidenten hinterfragt. Und nicht nur in der Regierungspartei nimmt die Kritik zu. Auch beim Koalitionspartner Freie Wähler wird schon in Richtung Ende des Lockdowns gedacht, mal fast schon ungewohnt zurückhaltend von Fabian Mehring, der auf den „Bayernplan“ der Freien Wähler verweist. Offensiver ist da sein Kaufbeurer Landtagskollege Bernhard Pohl aufgetreten. Der kann sich eine Öffnung gewisser Läden und Dienstleister schon am 15. Februar vorstellen, ähnlich wie der Unterallgäuer Landrat Alex Eder.
Eines ist klar: Viel mehr Lockdown macht die Wirtschaft nicht mehr mit. Es droht ein Lockdown für die Ewigkeit, wenn danach nichts mehr da ist, was öffnen kann. Bisher waren nahezu nur Querdenker und andere Konsorten auf der Straße. Dies hat sich inzwischen geändert, nun gehen auch Frisöre zum Demonstrieren. In Augsburg schließen sich hunderte Unternehmer aus allen Bereichen der Wirtschaft im Unternehmerkreis Zukunft in Not zusammen, um gehört zu werden. Ein Umstand, der die Entscheidungsträger hellhörig machen sollte. Viele haben schlichtweg keinen Anspruch auf Hilfen. Bei denen, die sie bekommen, trudeln sie meist spät ein und viele sind noch gar nicht ausbezahlt. Da steht man hilflos im Regen… die Kunst- und Kulturbranche kann im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied davon singen. Diese ist Gründungsmitglied des „Club der Vergessenen“. Auch er bekommt mittlerweile immer mehr Mitglieder. Kein Wunder, denn statt Erfolge im Kampf gegen Corona zu erkennen, wird weiter Angst geschürt. Die Inzidenzzahlen sind auf einem guten Weg. Doch die beinahe panische Furcht vor „Mutanten“ wird dem Erfolg – warum auch immer – vorne weggeschoben. Zeitgleich, mit den unseligen Ansagen, den Lockdown aufrechtzuerhalten trotz fallender Ansteckungen und steigender Impfquote. Für immer mehr ist das nun langsam schwer nachvollziehbar. Da wird der „Lockdown light“ im November plötzlich „kritisch“ gesehen. RADIO SCHWABEN hat ihn damals schon als „Mogelpackung wie Erfrischungsgetränk light“ bezeichnet.
Eine Mogelpackung ist auch der Distanzunterricht. In einem Schulsystem, das weder technisch noch ideell für eine solche Unterrichtsform geschaffen ist, werden derzeit nur Bildungslücken produziert. Auf Kosten der Lehrer, der Eltern, vor allem aber der Schüler. Die hatten meist noch nicht einmal die faire Chance, die Löcher des ersten Lockdowns zu stopfen, schon kam der Zweite. Auch hier muss sich die Regierungskoalition fragen lassen, wie das entstandene Defizit denn wieder ausgeglichen werden soll. Mit Sicherheit nicht durch die Streichung der Faschingsferien. Opposition – hier seien exemplarisch Matthias Fischbach (FDP) und Max Deisenhofer (Grüne) genannt – rennen mit der Mehrheit der Schulfamilie gegen eine regierende Wand der Ignoranz. Die Pause ist wichtig. Und aufgeholt wird in der einen Woche nichts.
Neben Wirtschaft und Bildung leidet noch ein dritter Faktor ungemein unter den Einschränkungen: die Seele. Im ersten Lockdown war das leicht zu kaschieren. Das traumhafte Frühjahr lockte alle nach draußen. Doch der trübe, graue Winter sorgt schon grundsätzlich für eine weniger gute Stimmung. So leiden wir alle doppelt, oft sogar dreifach. Und all das macht ein „weiter so“ zur Farce. Die Menschen brauchen wieder einen Horizont, einen Lichtschein, eine greifbare Perspektive. Niemand will, dass jetzt alles fallen gelassen wird. Doch was spricht gegen eine Öffnung des Handels, gewisser Dienstleister und Teilen der Gastronomiebetriebe mit bekannten und strikten Hygienevorschriften? Dort wurde schon nach der ersten Welle auf Anraten der Politik viel investiert, doch das Invest war für den zweiten Lockdown dann plötzlich doch nicht mehr relevant. Wohlgemerkt, dort gab es kaum bis gar keine Infektionsquellen. Zumal mit der FFP2-Maskenpflicht der Schutz ja noch besser als zuvor sein müsste.
Es ist an der Zeit wieder positiver zu denken und vor allem zu handeln. Denn sonst verspielen wir die stärkste Waffe im Kampf gegen Corona: Die Akzeptanz der Maßnahmen.