Jeder der 140 Obstbäume mit seltenen Sorten in Biberach steht für ein totes Kind und hilft Eltern bei der Trauer.
„Du bist nicht mehr hier und doch bist du bei uns – immer!“ Diesen Satz hat Anna-Maria Böswald aus Tapfheim (Landkreis Donau-Ries) auf das Deckblatt eines Flyers des Vereins „Sterneneltern Schwaben“ geschrieben, den sie zusammen mit ihrem Mann Bernd gegründet hat. Vier Kinder haben die beiden kurz vor oder nach deren Geburt verloren. Sie sind sogenannte Sterneneltern von Sternenkindern. Für sie gibt es nun westlich von Biberach (Gemeinde Roggenburg) einen Erinnerungswald mit Sternchenbäumen.
Das 2,4 Hektar große Grundstück mit dem Flurnamen „Krautäcker“, das an einen Wald nahe der Staatsstraße 2019 grenzt, wurde Mitte März 2024 in eine Streuobstwiese mit seltenen Apfel- und Birnensorten verwandelt. Insgesamt 140 junge Obstbäume sind im Lageplan eingezeichnet, den Kreisgartenfachberater Rudolf Siehler erstellt hat. Bislang 124 hat die Firma Toriello Landschaftspflege GmbH aus Nagold gepflanzt, 46 im Jahr 2022 und 78 vor einigen Tagen. Die noch fehlenden jungen Hochstämme werden im nächsten Jahr folgen.
Bei dem Grundstück handelt es sich um eine Ausgleichsfläche, die das Staatliche Bauamt Krumbach im Auftrag des Freistaates Bayern angekauft hat. Hier ist das Ehepaar Böswald bei ihrer Suche nach einem neuen Erinnerungswald fündig geworden. Nachdem die 148 Sternchenbäume im ersten Erinnerungswald der „Sterneneltern Schwaben“ in Wemding (Donau-Ries) innerhalb von nur zwei Jahren alle vergeben waren, war für Anna-Maria und Bernd Böswald schnell klar: „Es muss weitergehen.“
Auf seiner Suche nach einem geeigneten Grundstück wandte sich der Verein „Sterneneltern“ auch an das Landratsamt Neu-Ulm. Dort wurde Rudolf Siehler mit der Angelegenheit betraut. Er schaltete Klaus Burkart ein, den Leiter des Sachgebiets Naturschutz und Landschaftsplanung im Staatlichen Bauamt Krumbach. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf.
Das Ehepaar Böswald hat auch zwei lebende Kinder – Lean (12) und Jorin (2), den man „Regenbogenkind“ nennt, weil er nach Sternenkindern geboren wurde. Vom neuen Erinnerungswald sind sie alle vier begeistert. Das wellige, abschüssige Gelände „spiegelt den Verlauf der Trauer nach dem Tod des eigenen Kindes schön wider“, erklärt Anna-Maria Böswald. „Total passend“ sei auch die „idyllische Lage“ am Waldrand.
Dort finden Sterneneltern aus dem Landkreis Neu-Ulm und der Umgebung einen Ort der Trauer und des Gedenkens für ihre Sternenkinder. Sie werden dort jedoch nicht bestattet. „Bis auf zwei Exemplare der Weißenhorner Birne ist jede der seltenen Apfel- oder Birnensorten einmalig auf der neu angelegten Streuobstwiese, ebenso einmalig wie jedes einzelne verstorbene Kind“, erläutert Rudolf Siehler.
„Jeder gepflanzte Baum wächst symbolisch für ein verstorbenes Kind, das wir nicht aufwachsen oder weiterwachsen sehen dürfen. Und jedes einzelne Bäumchen trägt somit zur Trauerbewältigung im Einklang mit dem Naturschutz bei“, ergänzt Anna-Maria Böswald.
Wer die Sternenkinder-Streuobstwiese künftig pflegt und die Früchte erntet, ist noch nicht ganz geklärt, aber der einheimische Obst- und Gartenbauverein Biberach-Asch hat positive Signale ausgesendet. Vorsitzende Agnes Meichelböck zeigte sich bei einem Ortstermin „sehr interessiert“.
In den ersten zwei Jahren wird noch Kreisgartenfachberater Rudolf Siehler den Schnitt übernehmen. Danach soll die Pflege der Streuobstwiese weiter aus einer Hand erfolgen. Am Obst-Ertrag, der laut Siehler nach etwa zehn Jahren erstmals anfällt, sollen die Sterneneltern beteiligt werden.
Wer ebenfalls Mutter und Vater eines totgeborenen oder kurz nach der Geburt verstorbenen Kindes ist, kann sich beim Verein „Sterneneltern Schwaben“ melden und sich für einen Sternchenbaum im neuen Erinnerungswald in Biberach bewerben. Die Sterneneltern erhalten dann jeweils ein Bäumchen, auf dem eine Plakette mit dem Vornamen des Sternenkindes angebracht wird und das sie individuell schmücken können.