Lohn-Prellerei aufgedeckt: Das Hauptzollamt Augsburg hat im vergangenen Jahr
87 Verfahren gegen Unternehmen in der Region eingeleitet, weil Mindestlöhne
unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt wurden. Dabei verhängten die Beamten
Bußgelder in Höhe von rund 674.000 Euro. Das teilt die IG Bauen-Agrar-Umwelt
(IG BAU) mit. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf eine Erhebung des
Bundesfinanzministeriums für den Bundestagsabgeordneten Bernhard Daldrup (SPD),
der auch Mitglied im Finanzausschuss des Parlaments ist. Demnach entfielen
32 Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Baufirmen in der Region, gegen die Geldbußen von
139.000 Euro verhängt wurden.
„Die Zahlen zeigen, dass es viele Arbeitgeber mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht
so genau nehmen. Der Zoll sollte daher auch im Landkreis Augsburg noch mehr Präsenz
zeigen. Das Risiko für schwarze Schafe, bei einer Kontrolle erwischt zu werden, ist noch
immer zu gering“, sagt Michael Jäger. Der IG BAU-Bezirksvorsitzende verweist darauf,
dass die Arbeit, die auf die Zolleinheit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zukommt,
mehr werde.
Denn mit der geplanten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde
stiegen ab Oktober auch die Einkommen Tausender Menschen allein im Landkreis
Augsburg. „Der Staat muss dann sicherstellen, dass die Beschäftigten den höheren
Mindestlohn auch wirklich bekommen. Die wichtige und überfällige Erhöhung des
unteren Lohnsockels darf nicht nur auf dem Papier gelten“, so der Vorsitzende der
IG BAU Schwaben.
Der Gewerkschafter warnt vor bloßen „Placebo-Kontrollen“, sollte das Hauptzollamt
Augsburg die Arbeitgeber-Prüfungen nicht deutlich ausweiten. „Entscheidend ist, dass
die FKS zusätzliches Personal bekommt. Das Bundesfinanzministerium als oberster
Dienstherr der Zollverwaltung muss sich mit Hochdruck um neue Kontrolleure kümmern.“
Kritik übt die IG BAU zudem an einem „staatlichen Zuständigkeits-Wirrwarr“. So hätten
die Arbeitsschutzbehörden beispielsweise die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und
Standards bei Unterkünften ausländischer Beschäftigter im Blick. Allerdings fehle es in
den Ämtern ebenfalls an Personal – obwohl sie in der Pandemie zusätzliche Aufgaben
wie die Kontrolle der Corona-Vorschriften am Arbeitsplatz bekommen hätten. Die FKS
des Zolls hingegen kümmere sich um die Prüfung von Lohn- oder Steuerabrechnungen.
„In der Praxis wäre eine staatliche Arbeitsinspektion aus einer Hand sinnvoller. Als
übergeordnete Behörde könnte sie für die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und
Sozialvorschriften Sorge tragen“, so Jäger.
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums kontrollierte das Hauptzollamt Augsburg
im vergangenen Jahr insgesamt 1.341 Unternehmen in der Region – 336 davon aus der
Baubranche. Im Fokus der Fahnderinnen und Fahnder standen neben Lohn-Tricksereien
insbesondere auch Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Steuerbetrug: Insgesamt
leiteten die Augsburger Zöllner hier 2.543 Strafverfahren ein (Bau: 288).
Bild: IG BAU | Tobias Seifert