Ulrich Hiemer ist rechtlicher Betreuer im Ehrenamt – Im Gespräch erzählt er von seiner Aufgabe und was er an diesem Ehrenamt schätzt
Rechtliche Betreuung hilft Menschen, die ihre Angelegenheiten aufgrund von Krankheit oder Behinderung alleine nicht regeln können. Häufig erfolgt eine Betreuung innerhalb der eigenen Familie, ist dies nicht möglich, wird eine Fremdbetreuung bestellt. Ist die Lage komplex oder die Aufgabe sehr umfangreich, sind in der Regel Berufsbetreuer im Einsatz. Es gibt jedoch auch Menschen, für die eine nicht ganz so aufwendige Unterstützung eine notwendige, große Hilfe ist, um Struktur in die eigenen Angelegenheiten zu bekommen. In Memmingen sind aktuell 24 ehrenamtliche rechtliche Betreuerinnen und Betreuer registriert. Einer von ihnen ist Ulrich Hiemer, 66 Jahre alt, selbstständiger Unternehmer in der Baubranche und seit wenigen Monaten im Ruhestand. Seit drei Jahren betreut er Menschen ehrenamtlich.
Wie sind Sie zu dem Ehrenamt gekommen?
Ich habe in einem Zeitungsartikel davon gelesen. Es wurden ehrenamtliche rechtliche Betreuer gesucht, das hat mich interessiert. Ich habe mich dann bei der Betreuungsstelle der Stadt gemeldet.
Wie viele Menschen haben Sie in der Zeit betreut?
Zwei Betreuungen habe ich nach einiger Zeit wieder abgegeben. Aktuell betreue ich drei Menschen. Zwei wohnen in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, einer lebt selbstständig zu Hause.
Was sind Ihre Aufgaben?
Ich kümmere mich um gesundheitliche Fragen wie Arzttermine oder Anträge bei Behörden und um die finanziellen Angelegenheiten. Ich verschaffe mir einen Überblick über Einkünfte und Ausgaben. Wenn jemand in einer Einrichtung lebt, ist das etwas einfacher, es sind vor allem die Rechnungen zu prüfen und zu begleichen, um Alltagsfragen geht es dann weniger. Bei dem Betreuten, der alleine lebt, regle ich die Finanzen über zwei Konten. Ein Konto, über das der Betreute selbst verfügen kann, und ein Konto, für das ich verantwortlich bin, da gehen die Einkünfte ein und von dem Konto bezahle ich die Rechnungen, Strom, Versicherungen etc.
Warum machen Sie das? Was ist Ihre Motivation?
Ich habe schon verschiedene Ehrenämter ausgeübt. Ich war Verwaltungsleiter bei den Maltesern, da hatten wir ein tolles Team. Ich habe beim Tennis in der Jugendarbeit mitgemacht, als meine Kinder beim Tennis waren. Und ich habe mich im Kirchenvorstand um die Finanzen gekümmert. Das war alles gut, aber mit vielen Gremien und Sitzungen verbunden und das möchte ich jetzt nicht mehr. In der rechtlichen Betreuung habe ich das ideale Ehrenamt gefunden. Ich kann Menschen Gutes tun, ihnen helfen, aber selbständig entscheiden, was ich wann mache. Man hat konkret jemanden, für den man verantwortlich ist und für den man etwas tun kann. Die Selbstständigkeit liegt mir. Es ist auch etwas für die Seele. Man bekommt viel zurück.
Lernt man die Betreuten gut kennen?
Das ist unterschiedlich. Die Personen in der Einrichtung besuche ich jede Woche, da gehen wir auch mal Eis essen oder machen eine Spazierfahrt in ihre Heimatorte. Es sind Kleinigkeiten und es ist so einfach, Freude für den Moment zu bereiten. Auch wenn sie nachher alles vergessen, ist es völlig in Ordnung so. Mein dritter Betreuter möchte nicht viel persönlichen Kontakt. Er ruft mich an, wenn er etwas braucht, dann regle ich das. Wenn er z.B. ein Computerproblem hat, beauftrage ich einen Fachmann, das kann ich nicht selbst. Als er eine neue Küche gebraucht hat, haben wir die alte Küche gemeinsam ausgebaut. Wir konnten Geld sparen und es war ein guter Kontakt.
Ist man das ganze Jahr über angebunden?
Wenn man im Urlaub oder krank ist, übernimmt der Betreuungsverein der Caritas die Vertretung der Betreuung.
Wie viel Zeit wenden Sie für das Ehrenamt auf?
Bei meinen drei Fällen insgesamt vielleicht drei Stunden in der Woche. Dazu kommt einmal im Jahr ein Abschlussbericht für das Amtsgericht mit einem Kassenbericht.
Wie werden die Fälle vermittelt?
Die Betreuungsstelle ruft mich an, stellt eine Person vor und fragt ob ich mir vorstellen kann die Betreuung zu übernehmen. Dann geht man gemeinsam hin, lernt sich gegenseitig kennen und wenn es sich beide Seiten vorstellen können, erfolgt ein entsprechender Vorschlag zur Bestellung an das Betreuungsgericht. Es muss für beide Seiten einvernehmlich sein, für beide passen. Der Betreuer wird ja nicht über den Betreuten, sondern ihm oder ihr zur Seite gestellt.
Es ist ein Ehrenamt mit großer Verantwortung
Ja, das ist es. Ich treffe Entscheidungen für die Person, aber immer ihrem Wunsch entsprechend. Gegen den freien Willen eines Volljährigen darf ein Betreuer sowieso nicht bestellt werden. Oder wenn er oder sie nicht mehr will, dann wird es auch beendet. Dass ich vom Betreuten akzeptiert werde, ist ganz wichtig. Ich beschränke ihn ja beispielsweise in seinem Ausgabenverhalten. Das geht aber eben nur, wenn er einverstanden ist – es muss passen. Das gilt auch für mich als Betreuer, wenn ich mit der Aufgabe bei einer Person einfach nicht zurechtkomme oder mich die Aufgabe überfordert, dann kann ich die Betreuung wieder abgeben.
Haben Sie Unterstützung bei den Aufgaben?
Die Aufgaben sind nicht schwer. Wer selbst Online-Banking macht und seine Rechnungen bezahlt, hat genügend Kenntnisse. Im Schriftverkehr ist es aber sehr gut, dass man durch das Amtsgericht offiziell bestellt ist. Da kann man mit anderer Autorität die Vertretung wahrnehmen als ein Privatmann, das erleichtert manches. Und wenn man sich mit andern austauschen möchte, gibt es die Mitarbeiter des Betreuungsvereins oder auch der Betreuungsstelle der Stadt. Alle drei Monate wird ein Treffen aller ehrenamtlichen Betreuer angeboten mit fachlichem Vortrag und Austausch. Man macht die Betreuung alleine, aber man ist nicht allein.
Weitere Infos unter https://www.memmingen.de/menschen-helfen. Bei Interesse und Fragen können Sie sehr gerne Kontakt mit der Betreuungsstelle aufnehmen unter betreuungsstelle@memmingen.de oder telefonisch unter 08331/ 850-447, -449 und -494.
Bild: Alexandra Wehr/ Pressestelle Stadt Memmingen