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Memmingen: Literaturpreis des Bezirks Schwaben 2024

Bezirk prämiert Literatur „Auf Augenhöhe“ –
Hauptpreis geht an Achim Jäger

Bei der öffentlichen Verleihung des Literaturpreises des Bezirks
Schwaben im Memminger Kreuzherrnsaal am Freitag sichert sich
der gebürtige Stuttgarter den ersten Platz. Die mit insgesamt 6.600
Euro Preisgeld dotierte Auszeichnung erhielten zudem Michael
Lichtwarck-Aschoff (Stadtbergen), Katharina Prestel (Lkr. Ravens-
burg, BW) und Andreas Schmid (Augsburg). Der Anerkennungspreis
des Bezirks ging an Lilly Haller aus Grünenbach (Lkr. Lindau). Die
junge Westallgäuerin mit Körperbehinderung hat das Motto „Auf
Augenhöhe“ auf besondere Weise aufgegriffen.

Eine zwölfköpfige Jury hat aus 139 anonymisierten Einsendungen für den 19.
Literaturpreis des Bezirks Schwaben vier besonders preiswürdige unveröffent-
lichte Prosatexte ausgewählt. Zudem vergab der Bezirk einen „Anerkennungs-
preis für außergewöhnliche Leistungen“.

Das Thema des Literaturpreises, der seit 2005 besteht, lautete in diesem Jahr
„Auf Augenhöhe“. Das Motto bezieht sich auf den Hauptaufgabenbereich des
Bezirks Schwaben: Dieser unterstützt als Träger der überörtlichen Sozialhilfe
und der Eingliederungshilfe Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderun-
gen und Pflegebedarf, damit diese ihren Alltag möglichst selbstbestimmt ge-
stalten können.

„Die Preisträgerinnen und Preisträger haben das Thema Inklusion unter dem
Motto ‚Auf Augenhöhe‘ beeindruckend vielfältig umgesetzt – mal ganz konk-
ret, mal in freier literarischer Auseinandersetzung, aber immer berührend“,
sagte Bezirkstagspräsident Martin Sailer bei der Verleihung des Literaturprei-
ses am Freitag im Kreuzherrnsaal in Memmingen. Die ausgezeichneten Auto-
rinnen und Autoren konnten sich dem Publikum in Videos und bei Lesungen
ausgiebig präsentieren.

Der Hauptpreis (2.500 Euro) ging an den gebürtigen Stuttgarter Achim Jä-
ger für seine Erzählung „Irgendwo bellte ein Hund“. Die Jury war beeindruckt
von der durchgängigen Spannung und der fast stummen Kommunikation in
der Coming-of-Age-Geschichte, in der mehr Blicke als gesprochene Worte
gewechselt werden. In einem heißen Sommer versucht ein Jugendlicher, sich
einem Mädchen anzunähern. Gleichzeitig ergründet er die Beziehung zu sei-
nem Vater, mit dem er schlussendlich durch eine gemeinsame Anstrengung
„auf Augenhöhe“ findet. Der Text überzeuge mit raffinierten und vielschichti-
gen Erzählungen aus der Perspektive eines jungen Mannes und einem „dich-
ten Netz von indirekten Verweisen“, so Jury-Mitglied Dr. Ulrike Längle.

Den zweiten Preis (2.000 Euro) erhielt Michael Lichtwarck-Aschoff für sei-
nen Text „Sodann wird Gernot L. auf Augenhöhe verbracht“, der nach Ansicht
der Jury das Motto der diesjährigen Ausschreibung „am ernstesten nahm und
am vielfältigsten umkreiste“. In seinem Beitrag kehrt Lichtwarck-Aschoff in
sein früheres Berufsleben als Arzt zurück: Der Autor skizziert die Hierarchie in
einer Klinik und schildert das Schicksal eines Patienten, der sich weit „unter
der Augenhöhe“ des medizinischen Personals wiederfindet. Jury-Mitglied
Oswald Burger lobte die bisweilen bewusst irritierende Erzählweise, die an
den Stil von Schriftsteller Franz Kafka erinnere.

Mit dem dritten Preis (1.500 Euro) wurde Katharina Prestel für ihren Beitrag
„Bilder einer Ausstellung II“ ausgezeichnet. In ihrem Text mit dem Untertitel
„Fassung für Sehgeschädigte“ übersetzt Prestel eine Kunstausstellung in lite-
rarische Worte. Dabei setzt sie sich nach Ansicht der Jury „nicht nur zum Ziel,
visuell entworfene Kunst ‚auf Augenhöhe‘ für Menschen zugänglich zu ma-
chen, denen dieser Rezeptionsweg versagt ist“. Vielmehr spreche sie mit ihren
Beschreibungen auch alle anderen Sinne an: „Lesend und hörend fühlt, riecht,
schmeckt, geht man durch diese ‚Ausstellung‘“, lobte Jury-Mitglied Dr. The-
resia Dingelmaier.

Mit unerwarteten Blickwinkeln auf vermeintlich vertraute Motive überzeugte
der junge Autor Andreas Schmid die Jury, weswegen er für seinen Text „Ent-
gleist“ mit dem Nachwuchspreis (600 Euro) ausgezeichnet wurde.

Außerdem verlieh Bezirkstagspräsident Martin Sailer im Rahmen des Litera-
turpreises des Bezirks Schwaben einen zusätzlichen Anerkennungspreis für
außergewöhnliche Leistungen. Der Bezirk würdigte damit die 17-jährige
Autorin Lilly Haller. Die Allgäuerin hat eine schwere körperliche Behinderung,
weshalb sie nicht sprechen kann. Ihren Körper kann sie beinahe nicht bewe-
gen. Mit Hilfe ihrer Mutter Heike lernte Haller im Alter von 13 Jahren mit Un-
terstützung zu schreiben. Sie erlangte dadurch die Möglichkeit, sich ihren
Mitmenschen auf Augenhöhe mitzuteilen und sich literarisch auszudrücken.
Mit 16 Jahren veröffentlichte Lilly Haller ihr Buch „Aus dem Herzen, für die
Seele“. In ihm hat sie mit Hilfe ihrer Mutter Geschichten aufgeschrieben, „um
einander mit anderen Augen zu sehen“. Der Bezirk Schwaben zeichnet Hallers
außergewöhnliche Leistung mit einem Anerkennungspreis aus.

Über den Literaturpreis des Bezirks Schwaben
Die Förderung von Literatur hat im Bezirk einen besonderen Stellenwert,
denn literarische Texte geben einer Region ihr Gesicht. Vor diesem Hinter-
grund vergibt der Bezirk seit 2005 jährlich seinen Literaturpreis. Ziel der Aus-
zeichnung ist es, die Vielfalt schwäbischer Literatur zu erhalten und zu stär-
ken. Teilnahmeberechtigt sind Autorinnen und Autoren mit Lebensmittel-
punkt oder biografischen Wurzeln im schwäbisch-alemannischen Kulturraum.
Sie können einen bisher unveröffentlichten Text zu einem vorgegebenen
Thema einreichen. Der Literaturpreis ist mit insgesamt 6.600 Euro dotiert. Da-
von entfallen 2.500 Euro auf den Hauptpreis, 2.000 Euro auf den zweiten und
1.500 Euro auf den dritten Platz. Der mit 600 Euro dotierte Nachwuchspreis
enthält zudem eine Einladung zur Meisterklasse Literatur bei der Sommeraka-
demie der Schönen Künste 2025 in der Schwabenakademie Irsee.

 

Bild: Achim Jäger