Angefangen hat alles mit Sabine – dem Orkan, der im Februar 2020 auch den Landkreis Günzburg getroffen hat. Die Sturmschäden im Waldstück von Christoph und Martina Fendt haben dem Ehepaar ziemlich viel Schadholz eingebracht, das sie nicht verwerten konnten: „Das war mir ein Dorn im Auge“, so Christoph Fendt. Klaus Jekle aus Edelstetten, der im Landkreis Günzburg bereits an vielen Nahwärmeprojekten beteiligt ist, brachte die Fendts darauf, eine Hackschnitzelanlage zu bauen. Aus ökologischer Sicht ein sinnvoller Schritt: Regionales, nicht anderweitig verwertbares Holz kann so genutzt werden, um die Haushalte in Muttershofen mit Nahwärme zu versorgen.
Viele Interessierte bei der ersten öffentlichen Veranstaltung zur geplanten Anlage sagten den Fendts ihren Wärmeanschluss an das geplante Nahwärmenetz zu, woraufhin das Ehepaar entsprechende Fördermittel beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) beantragte. Nach eineinhalb Jahren Planungszeit und dem Förderbescheid der BAFA begannen die Fendts mit den Bauarbeiten, hatten von da an aber immer wieder bürokratische Hürden zu meistern, bei denen der Grünen-Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer gerne unterstützte: „Wir brauchen Leute mit guten Ideen, die bei solchen Projekten auf dem Land Mehrheiten für sich gewinnen und die Energiewende aktiv voranbringen. Ich freue mich, dass ich den Vorgang ein wenig beschleunigen konnte und das Geld nun auf dem Konto ist“, betonte er beim Vor-Ort-Besuch in Muttershofen.
Dort läuft die Anlage mittlerweile, mit der die Fendts 75 Prozent der Haushalte des 400 Einwohner zählenden Ortsteils versorgen. „Wir produzieren zu einhundert Prozent erneuerbare Energie und garantieren für Wärme“, erklärt Martina Fendt. Sollte der Hauptkessel der Anlage ausfallen, übernehme ein zweiter. Das Prinzip hinter der Wärmegewinnung ist ganz einfach: Über die Anlage wird heißes Wasser durch isolierte Erdleitungen an die Häuser geleitet, wo die Wärme des Wassers über einen Plattenwärmetauscher an den Haushalt abgegeben wird.
Wie gut aufgestellt ist der Landkreis Günzburg bereits mit Nahwärmenetzen? Grünen-Abgeordneter Max Deisenhofer hat beim Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie nachgehakt – noch gebe es allerdings keine Pflicht zur Erfassung von Wärmenetzen und darüber, welche Energieträger neben Holz dafür verwendet werden. Schaut man sich den Energieatlas Bayern an, sind im Landkreis Günzburg bislang 25 Wärmenetze verzeichnet, im angrenzenden Landkreis Augsburg sind es mit 28 ähnlich viele.
Das Netz aus Wärmeleitungen, das das Ehepaar Fendt in Muttershofen binnen vier Monaten überwiegend durch private Gärten gelegt hat, sollte laut Christoph Fendt bis zu 50 Jahre intakt bleiben. Auch ein Ausbau des Netzes sei denkbar. Für die langfristige Planung riet Max Deisenhofer zu einem Energiemix, beispielsweise mithilfe von Solarthermie. Die Anwohnerinnen und Anwohner könnten ihren Strombedarf außerdem durch eigene Photovoltaikanlagen auf dem Dach decken. Eine klare Einschätzung des Wirtschaftsministeriums zu Hackschnitzelanlagen erhielt Deisenhofer auf Anfrage ebenfalls nicht: Die Betreiber von Wärmenetzen müssten, so heißt es stattdessen, unter Berücksichtigung der örtlichen Begebenheiten selbst entscheiden, welche Arten von Wärmeerzeugung in Frage kommen.
Die Wärmeversorgung macht in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung mehr als 50 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs aus und verursacht einen Großteil des CO2-Ausstoßes. Rund 80 Prozent der Wärmenachfrage werde derzeit durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen wie Gas und Öl gedeckt, die aus dem Ausland bezogen werden. Von den rund 41 Millionen Haushalten in Deutschland heize nahezu jeder zweite mit Gas und knapp jeder vierte mit Heizöl. Fern- und Nahwärmenetze, wie das in Muttershofen, seien noch eine Seltenheit: Nur rund 14 Prozent aller Haushalte beziehen ihre Wärme auf diesem Weg. Der Großteil dieser Netze speise sich außerdem ebenfalls aus fossilen Brennstoffen.
(Foto: Nadine Rau)