Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr den Regional- und S-Bahn-Verkehr im Freistaat plant, finanziert und kontrolliert, hat die Pünktlichkeitsstatistik für das Jahr 2023 veröffentlicht. Im Durchschnitt lag die Pünktlichkeitsquote aller Regionalzüge und S-Bahnen in Bayern bei 87,0 Prozent (2022: 88,1 Prozent). Damit erreicht der Wert einen Tiefststand seit der Bahnreform in den Neunzigerjahren. Als pünktlich gewertet werden alle Züge, die weniger als sechs Minuten Verspätung haben. Ausgefallen sind 6,3 Prozent der Verkehrsleistungen (2022: 4,9 Prozent). Die Hauptursache für die Verspätungen und Ausfälle liegt weiterhin bei den Einschränkungen durch die oftmals marode Bahninfrastruktur. Bei den Ausfällen gab es 2023 aber auch erhebliche Effekte durch Streikphasen und extreme Witterungsbedingungen.
Der bayerische Verkehrsminister und BEG-Aufsichtsratsvorsitzende Christian Bernreiter nennt das historische Tief „alarmierend“: „Inzwischen sollte auch der Letzte den Weckruf verstanden haben. Die aktuellen Werte bestätigen leider einmal mehr, dass das System Schiene jenseits der Belastungsgrenze ist. Wir brauchen dringend eine Trendumkehr. Es ist höchste Eisenbahn, dass Bund und DB InfraGO ihre Infrastruktur auf Vordermann bringen und zukunftssicher machen. Wer sich dabei nur auf hochfrequentierte Strecken konzentriert, befindet sich auf dem Holzweg.“
„DB InfraGO darf bei der anstehenden Generalsanierung der sogenannten Hochleistungskorridore das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“, ergänzt Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der BEG. „Monatelange Komplettsperrungen sind für Fahrgäste ein Alptraum. Es braucht deshalb Schienenersatzverkehr auf einem ganz neuen Niveau, mit einem dichten Takt und Expressbussen. Sonst laufen wir Gefahr, viele Fahrgäste wieder an den Individualverkehr zu verlieren
Der Bund und DB InfraGO müssen zu ihrer Verantwortung stehen und sich maßgeblich an den Kosten für einen solchen Premium-Ersatzverkehr beteiligen.“ Der Minister und BEG-Chefin Fuchs setzen in dieser Angelegenheit große Hoffnungen auf die aktuell angestrebte Konsensfindung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zur Novellierung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes.
Bahninfrastruktur verursacht erneut die meisten Verspätungen
Größter Verursacher von Verspätungen war die Infrastruktur. 27,2 Prozent der verbuchten Verspätungsminuten (2022: 27,7 Prozent) gingen auf Störungen an Leit- und Sicherungstechnik, Weichen und Bahnübergängen zurück. Auch zahlreiche Langsamfahrstellen aufgrund von Fahrbahnmängeln wirkten sich negativ auf die Pünktlichkeit aus. Bauarbeiten schlugen mit 9,7 Prozent (2022: 8,8 Prozent) zu Buche.
23,2 Prozent der Verspätungsminuten waren auf betriebliche Gründe zurückzuführen (2022: 22,9 Prozent), also Verspätungen, die im Verantwortungsbereich der Eisenbahnverkehrsunternehmen liegen. Dazu zählten beispielsweise Haltezeitüberschreitungen, unter anderem aufgrund des oftmals gestiegenen Fahrgastandrangs seit Einführung des Deutschlandtickets, wodurch das Ein- und Aussteigen der Fahrgäste länger dauerte als üblich. Dazu kamen Fälle, in denen Personal nicht rechtzeitig am Einsatzort war oder sich die Bereitstellung der Fahrzeuge verzögerte.
Externe Einflüsse waren Auslöser für 18,7 Prozent der Verspätungen (2022: 18,8 Prozent). Dazu zählten Grenzkontrollen und Ereignisse wie Personen im Gleis oder Notarzteinsätze. 10,0 Prozent aller Verspätungsminuten in Bayern kamen dadurch zustande, dass Züge am Bahnhof auf verspätete Züge warteten, damit Fahrgäste ihren Anschluss erreichen konnten (2022: 10,5 Prozent). 9,4 Prozent der Verspätungsminuten wurden durch Fahrzeugstörungen verursacht (2022: 9,9 Prozent).
Die genannten Werte spiegeln ausschließlich diejenigen Verspätungen, die sich einer direkten Ursache zuordnen lassen, sogenannte Primärverspätungen. Folgeverspätungen, die im weiteren Fahrtverlauf entstehen, bleiben ausgeklammert. Diese kommen beispielsweise aufgrund von Rückstaueffekten durch langsamer vorausfahrende Züge, verspätete Wenden oder Zugkreuzungen zustande.
Pünktlichkeit in den einzelnen Netzen
In insgesamt sieben bayerischen Netzen lag die Pünktlichkeitsquote 2023 sogar unter 80 Prozent. Zum Vergleich: 2022 war das noch bei nur vier Netzen der Fall. Erneut deutlich überdurchschnittlich von Verspätungen betroffen war das Netz Alex-Nord der Länderbahn. Nur 64,3 Prozent der Züge waren in diesem Netz pünktlich (2022: 68,6 Prozent). Unterhalb der 80-Prozent-Marke blieben außerdem die Pünktlichkeitsquoten der Netze Chiemgau-Inntal der Bayerischen Regiobahn (75,5 Prozent, 2022: 77,5 Prozent), Donau-Isar-Express von DB Regio (76,6 Prozent, 2022: 77,0 Prozent), E-Netz Allgäu von Go-Ahead Bayern (76,9 Prozent, 2022: 81,4 Prozent) und Main-Spessart-Express von DB Regio (77,7 Prozent, 2022: 77,4 Prozent) sowie die beiden ebenfalls von DB Regio betriebenen Netze Dieselnetz Allgäu Los 2 (77,8 Prozent, 2022: 80,5 Prozent) und München-Nürnberg-Express/Ringzug West (78,7 Prozent, 2022: 85,2 Prozent).
Hauptursachen für die Verspätungen waren in allen diesen Netzen Langsamfahrstellen sowie Haltezeitüberschreitungen. In den Netzen Alex-Nord und Chiemgau-Inntal sammelten sich, wie schon im Jahr davor, zusätzliche Verspätungsminuten aufgrund der Grenzkontrollen in Furth im Wald beziehungsweise Freilassing an.
Generell lässt sich die Leistung der Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Blick auf die Pünktlichkeitswerte nur sehr bedingt vergleichen: Strecken, auf denen Regionalzüge komplett oder überwiegend allein unterwegs sind, schneiden naturgemäß besser ab als Strecken mit Mischverkehr aus Regional-, Fern- und Güterzügen. Das trifft beispielsweise auf die beiden bestplatzierten Netze zu. So erreichte die Bayerische Zugspitzbahn auf ihrer kurzen eigenen Strecke zwischen Garmisch-Partenkirchen und Grainau eine Pünktlichkeitsquote von 98,0 Prozent (2022: 99,1 Prozent). Und auch auf der Stichstrecke Gotteszell-Viechtach, die als eigenes Netz geführt wird, waren gleichbleibend zum Jahr 2022 96,2 Prozent der Züge pünktlich.
Die häufigsten Ausfallursachen – externe Einflüsse nehmen zu
Bei den Ausfallursachen waren es erneut Bauarbeiten (39,5 Prozent, 2022: 48,9 Prozent) sowie Infrastrukturstörungen, vor allem an Leit- und Sicherungstechnik, Weichen und Bahnübergängen (9,0 Prozent, 2022: 19,7 Prozent), die zusammengenommen immer noch für fast die Hälfte aller Zugausfälle verantwortlich gewesen sind.
Deutlich gestiegen ist der Anteil externer Einflüsse: 28,5 Prozent der Zugausfälle waren unter anderem extremen Witterungsverhältnissen sowie Streikmaßnahmen zuzuordnen (2022: 9,1 Prozent), das bedeutet ein Plus von 19,4 Prozent.
Weil teilweise Fahrzeuge wegen technischer Probleme und fehlender Werkstatt-Facharbeiter oder aufgrund von Lieferschwierigkeiten bei der Ersatzteilversorgung nicht wie geplant eingesetzt werden konnten, waren 13,0 Prozent der Zugausfälle auf die Kategorie Fahrzeuge zurückzuführen (2022: 10,8 Prozent).
Mit einem Anteil von 8,5 Prozent blieb auch die Kategorie Personal auf einem hohen Niveau (2022: 9,6 Prozent). Grund dafür ist der branchenweite Fachkräftemangel – besonders bei Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführern.
Mit 24,4 Prozent entfiel die höchste Ausfallquote aller bayerischen Netze auf das Netz Gotteszell-Viechtach (2022: 2,9 Prozent). Grund hierfür: Die Strecke der Waldbahn-Linie RB 38 der Länderbahn war wegen Modernisierungsarbeiten teilweise über mehrere Monate gesperrt. Auf hohem Niveau blieb die Ausfallquote im Netz Werdenfelsbahn (DB Regio). Sie betrug 19,3 Prozent (2022: 18,9 Prozent), da weiterhin Streckensperrungen und Langsamfahrstellen infolge von Fahrbahnmängeln noch keinen zuverlässigen Zugbetrieb möglich machten. Für einen Großteil der Zugausfälle wurde in beiden Netzen allerdings Schienenersatzverkehr bereitgestellt.
Einen Überblick über die Daten findet ihr HIER