Die Suchthilfe in Augsburg ausbauen und festigen: Mit diesem Ziel haben der Bezirk Schwaben, die Stadt Augsburg, die Drogenhilfe Schwaben, die Bezirkskliniken Schwaben und die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) am heutigen Dienstag die Kooperationsvereinbarung Modellprojekt „Stärkung der Suchthilfe in Augsburg“ geschlossen. Vom Projekt sollen in Zukunft auch andere Regionen in Schwaben profitieren.
Zielgruppe des gemeinsamen Modellprojekts, das am 1. März startet, sind suchtkranke Menschen in Augsburg, die das Hilfesystem bisher nicht oder kaum erreicht. Zusätzliche Sozialarbeiter/-innen, eine Schnelltestkampagne auf Infektionserkrankungen und ein möglicher Drogenkonsumraum sind nur einige der vielen geplanten Maßnahmen. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und wird zum Großteil vom Bezirk Schwaben mit rund 1,25 Millionen Euro gefördert. „Suchtkranke haben keine Lobby. Sucht ist jedoch ein gesamtgesellschaftliches Problem“, betonte Bezirkstagspräsident Martin Sailer bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung. Eine Stärkung der Suchthilfe in Augsburg sei aus Sicht des Bezirks nicht nur aus moralischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Perspektive alternativlos. „Jeder Euro, der in die ambulante Suchthilfe fließt, spart 17 Euro an Folgekosten durch Suchterkrankungen ein“, sagte Sailer.
Augsburg baut Jugendsuchtberatung und neue Anlaufstelle aus
Das Modellprojekt ist auf das gesamte Stadtgebiet ausgerichtet. Die Stadt Augsburg setzt vor allem auf zwei Bereiche: Im Amt für Kinder, Jugend und Familie soll eine Jugendsuchtberatung entstehen. Hierfür wird eine Vollzeitstelle eingesetzt. Zum anderen wird die betreute Einrichtung „BeTreff“ vom Helmut-Haller-Platz in das Pfarrhaus neben der evangelischen Kirche St. Johannes verlegt. „Das neue Konzept ‚Forum St. Johannes‘ zeigt, wie vielschichtig Suchthilfe ist“, sagte Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber. „Mit ihm hat die Stadt unter Federführung von Ordnungsreferent Frank Pintsch und unter Einbeziehung gesundheitlicher wie sozialer Aspekte ein mehrdimensionales Hilfsangebot geschaffen. Es lebt Diakonie als Dienst am Menschen auf der Basis christlicher Nächstenliebe, stellt Raum für Menschen in besonderen Lebenslagen zur Verfügung, öffnet sich auch nach außen hin zur Nachbarschaft und will Kultur- und Begegnungsort für den ganzen Stadtteil Oberhausen sein. Damit gehen wir einen wirklich großen Schritt zur Weiterentwicklung der Suchthilfe in Augsburg.“
Mehr Sozialarbeit vor Ort und ärztliche Begleitung
Ein weiterer zentraler Akteur im Modellprojekt „Stärkung der Suchthilfe in Augsburg“ ist die Drogenhilfe Schwaben. Sie wird dank zusätzlichem Personal vermehrt suchtkranke Menschen vor Ort beraten und versorgen. Neben dem Streetworking erweitert die Drogenhilfe ihre Schnelltestkampagne und betreut verstärkt die Substitutionstherapie, eine Behandlung mit Drogenersatzstoffen wie Methadon. Süchtige erhalten zudem Schulungen für Naloxon. Das Medikament kann im Fall einer Opiat-Überdosis Leben retten.
„Wir sehen in der Stärkung der Suchthilfe eine deutliche Verbesserung der Situation für drogengebrauchende Menschen“, sagte der Geschäftsführer der Drogenhilfe Schwaben, Uwe Schmidt. „Das Hilfsnetz wird enger geknüpft und die Angebote können besser greifen. Die Stärkung der Suchthilfe stärkt besonders die Stellung suchtkranker Menschen in unserer Region. Sie erhalten eine verbesserte Gesundheitsvorsorge, was wiederum das Gesundheitssystem entlasten wird. Wir freuen und bedanken uns, dass wir gemeinsam mit dem Bezirk Schwaben, der Stadt Augsburg, der KVB und den Bezirkskliniken neue Lösungen für unsere Region anbieten werden.“
Die Angebote der Drogenhilfe Schwaben entstehen in enger Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns prüft die Drogenhilfe gerade einen Behandlungs- und Kontaktraum für Suchtkranke, der eine niederschwellige medizinische Grundversorgung anbietet. „Die KVB begrüßt die Zusammenarbeit mit dem Bezirk Schwaben, der Stadt Augsburg und der Drogenhilfe Schwaben“, betonte Dr. Jakob Berger, Regionaler Vorstandsbeauftragter für Schwaben der KVB. „Gerne werden wir die Drogenhilfe Schwaben bei der Implementierung einer niederschwelligen hausärztlichen Versorgung vor Ort unterstützen. Dies könnte in der Regel durch eine Filialisierung bestehender Praxen ermöglicht werden. Für das notwendige Antragsverfahren können sich interessierte Kolleginnen und Kollegen gerne an das KVB-Beratungscenter wenden.“
Fokus auf Augsburg – mit Folgen für ganz Schwaben?
Ziel des Modellprojekts ist es, die Situation drogenabhängiger Menschen spürbar zu verbessern. Gleichzeitig sollen auch andere Regionen Schwabens von der trägerübergreifenden Kooperation profitieren. Das Bezirkskrankenhaus (BKH) Augsburg, das zu den Bezirkskliniken Schwaben gehört, übernimmt deshalb nicht nur die fachärztliche Betreuung und Steuerung. Das BKH wird das Projekt auch wissenschaftlich begleiten. Am Ende soll eine Studie entstehen, die zeigt, welche kurz- und mittelfristigen Auswirkungen die Kooperation auf das städtische Suchthilfesystem hat. „Wir wissen immer noch zu wenig über die Barrieren, die es verhindern, dass Menschen mit schweren Suchterkrankungen in das Hilfesystem kommen“ berichtete Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Ärztlicher Direktor des BKH Augsburg und Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Augsburg. „Das Projekt wird neue Aspekte der Versorgung untersuchen und helfen, das Stigma Suchterkrankung zu reduzieren“, führte er weiter aus.
Das BKH als Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Augsburg ist Teil der Universitätsmedizin in Augsburg und des Deutschen Zentrums für psychische Gesundheit. In der Behandlung von suchterkrankten Menschen hat das Krankenhaus jahrzehntelange Erfahrung.
„Wir versorgen stationär mehr als 2000 Menschen mit Suchterkrankung pro Jahr und begleiten mehr als 150 Menschen mit Opiatabhängigkeit in der Substitution“, berichtete Prof. Hasan. (Bildnachweis: Georg Schalk, Bezirkskliniken Schwaben)