Gudrun Reißer ist neue Stadtheimatpflegerin der Großen Kreisstadt Donauwörth
Pünktlich zum Jahreswechsel ist die Stelle der Stadtheimatpflege in Donauwörth neu besetzt: Gudrun Reißer hat diese Aufgabe von Museumsdirektor Thomas Heitele übernommen, der sich bald in den Ruhestand verabschiedet. Reißer hat bereits verschiedene Museen geleitet und ist – auch durch ihr Studium – mit den Traditionen, Denkmälern, Bräuchen und Kulturgütern der Stadt bestens vertraut. Als Heimatpflegerin ist es ihre Aufgabe, zu erhalten und zu gestalten. Im folgenden Interview stellt sich Gudrun Reißer vor.
Für alle, die Sie nicht kennen – stellen Sie sich doch bitte kurz vor: Wer sind Sie, wo kommen Sie her und was machen Sie?
Mein Name ist Gudrun Reißer, geboren bin ich 1962 in Augsburg. Dort war ich schon im Alter von ca. 14 Jahren im Arbeitskreis für Vor- und Frühgeschichte im Landkreis Augsburg aktiv. Als Schülerin betätigte ich mich in den „kleinen Ferien“ bei der Stadtarchäologie Augsburg und nahm für das Landesamt für Bodendenkmalpflege an Ausgrabungen teil. In den großen Ferien war ich auf Ausgrabungen im In- und Ausland unterwegs. Nach dem Abitur machte ich zunächst eine Ausbildung zur Restauratorin an der Archäologischen Staatssammlung in München und am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Parallel habe ich ehrenamtlich ein kleines Bauernhausmuseum im Landkreis Augsburg geleitet, war Restauratorin beim Bezirk Schwaben und habe eine eigene Restaurierungswerkstatt geführt, um mein Studium zu finanzieren. Aber diese Mehrfachbelastung könnte ich natürlich heute nicht mehr schaffen. Es reichen schon „Volkshochschule“ und meine vielfachen privaten Interessen sowie mein ehrenamtliches Engagement.
Parallel studiert habe ich Bayerische Landesgeschichte, Mittelalterliche Geschichte, Volkskunde und Kunstgeschichte. Mein Studium in Augsburg habe ich mit Magister Artium (M.A.) beendet. Und mit dem Tag des Studienabschlusses bekam ich bereits die Anstellung in Donauwörth als Museumsleiterin – verbunden mit dem Auftrag, zwei Museen im ehemaligen Kapuzinerkloster zu errichten. Ich war dann 21 Jahre lang – bis 2011 – Leiterin der damals fünf Museen in Donauwörth. Bis dato bin ich Geschäftsführerin der Volkshochschule Donauwörth.
Warum haben Sie sich für das Amt der Stadtheimatpflegerin beworben?
Da ich mich schon immer für Geschichte, Volkskunde und Denkmalpflege interessiere und ja über 20 Jahre als Museumsleiterin für die Stadt Donauwörth tätig war, war das für mich nur eine Frage der Zeit, mich dafür zu bewerben. Da nun mein geschätzter Kollege Thomas Heitele bald in Rente geht und ich meine Schöffentätigkeit beim Landgericht Augsburg beendet habe, hat mir der Vorstand der Volkshochschule Donauwörth genehmigt, dass ich mich für dieses Ehrenamt bewerben darf. Außerdem wollte ich mich schon immer auch ehrenamtlich für die Stadt Donauwörth einbringen – sie ist ja schließlich zu meiner Heimat geworden. Zudem sind mir die Leute von der Stadtverwaltung nicht fremd und ich weiß um die Verfahrensabläufe in einer Kommune. Das sind dann kurze Wege. Außerdem bin ich mit den zustimmenden Gremien, wie z.B. dem Bayerischen Landesverband für Heimatpflege und der Bezirksheimatpflege, gut bekannt. Der Oberbürgermeister und der Donauwörther Stadtrat haben mir dann ja auch das Vertrauen geschenkt und mich für dieses Amt ernannt. Viel Erfahrung konnte ich durch folgende Großprojekte gewinnen, an der die Denkmalpflege beteiligt war: Umbau und Sanierung des Kapuzinerklosters als Museum, Sanierung des Heimatmuseums, Sanierung und Umbau des Hotel Krebs zum Fachärztezentrum Maximilium, was allein zwei Jahre gedauert hat (darüber habe ich publiziert und eine vielbesuchte Ausstellung gestaltet) sowie der Neubau des Forums für Bildung und Energie/Vhs Donauwörth im Spindeltal. Hier konnte ich allerdings erst mitwirken, als das Gebäude schon gestanden ist. Heute freue ich mich, dass ich sogar inmitten der einstigen Burg Mangoldstein meinen Arbeitsplatz habe.
Wo sehen Sie vor allem Ihr Aufgabengebiet in diesem Amt? Was sind Ihre Pläne und Ziele?
Die Aufgabengebiete sind klar definiert in der Richtlinie über die Heimatpflege in den Landkreisen, kreisfreien Städten und Großen Kreisstädten sowie in einer sog. Heimatrichtlinie u.a. des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat und des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, wonach die Heimatpflege eine staatliche und kommunale Aufgabe ist. Zu den Aufgaben des Freistaates Bayern dagegen gehört der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der kulturellen Überlieferung – er trägt somit die Verpflichtung zum Schutz der Heimat. Zur Heimat gehören sowohl materielle Bestandteile wie Kulturlandschaften, Siedlungen, bauliche Anlagen, Denkmäler oder Trachten als auch immaterielle Kulturgüter wie Bräuche oder Feste. Schutz bedeutet dabei nicht nur Bewahrung und Pflege, sondern auch eine verantwortungsvolle Weiterentwicklung. In diesem Sinne hat sich die Heimatpflege den gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen der Gegenwart zu stellen und den vorhandenen Werten neue hinzuzufügen. Die Verfassung bestimmt, dass die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie der Landschaft öffentlichen Schutz und Pflege des Staates, der Gemeinden und der Körperschaften des öffentlichen Rechts genießen. Folglich fallen die Kulturpflege und die Erhaltung ortsgeschichtlicher Denkmäler und Bauten in den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden.
Die Aufgabe der Heimatpflege ist: Sie will erhalten und gestalten. Geschaffene Werte von landschaftsprägender, geschichtlicher, wissenschaftlicher, künstlerischer, städtebaulicher und volkskundlicher Bedeutung sollen bewahrt, gepflegt und weiterentwickelt werden. Es ist die Aufgabe des/r Heimatpfleger/in, sowohl zur Erhaltung und Vermittlung der historischen Dimension der Heimat beizutragen als auch aktuelle Veränderungsprozesse kritisch zu begleiten und Neuerungen behutsam in Vorhandenes einzubetten. Meine Aufgabe wird es sein, gemäß Bay. Denkmalschutzgesetz die Denkmalschutzbehörden und das Bay. Landesamt für Denkmalpflege in den Fragen der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes zu beraten und zu unterstützen. Ich arbeite dabei sehr eng mit der Kommune zusammen.
Welchen Bezug haben Sie zu Donauwörth?
Ich lebe hier in der Innenstadt seit mehr als zwei Jahrzehnten. Ich arbeite hier, ich verbringe hier meine Freizeit, habe hier meinen Lebensgefährten, meine Freunde, ich forsche hier zu den Franzosen- und Napoleonischen Kriegen, ich gehe im Stadtarchiv ein und aus. Ich nutze die Fernleihe der Stadtbibliothek und biete möglichst viele Regionalthemen mit hochkarätigen Experten an der Vhs an. Ich kenne die Landschaft mit ihren Menschen, deren liebenswerte Eigenheiten und die kulturellen Hintergründe. Ich weiß sowohl über die Boden- und Baudenkmale in Stadt und Land als auch über die regionalen Bräuche Bescheid. Und über die Feste bin ich auch informiert.
Über die Vhs habe ich schon viele Mountainbiketouren und Wanderungen zu archäologischen Denkmalen in unserer Region angeboten. Die sind immer ausgebucht, da man mit mir zu Stellen geht, die man nicht auf „regulären“ Wegen erkunden kann. Mir geht es dabei um den Denkmalschutz und um eine Sensibilisierung für dieses Kulturgut. Außerdem streife ich vielfach zu Fuß oder mit dem Rad durch die angrenzenden Wiesen und Wälder im Landkreis Donau-Ries.
Ich bin vielfach vernetzt mit den Behörden und mit den Kulturschaffenden. Die Menschen wissen, wer ich bin und ich kenne sie.
Haben Sie eine Lieblingsgeschichte rund um Donauwörth oder einen bestimmten Platz/Gebäude?
In der Stadt Donauwörth ist es ganz klar der wunderschöne Kalvarienberg, der errichtet wurde im Gedenken an die Errettung der Stadt aus Kriegsnot in der europaweit bedeutenden Schlacht des Spanischen Erbfolgekrieges 1704 am Schellenberg. Tausende Soldaten ließen hier ihr Leben oder wurden verwundet. Die Rekrutierung oder Anwerbung traf oft junge Männer, die entweder in den Kriegsdienst gepresst wurden oder sich aus Not als Soldat verdingen mussten. Die Stadt traf es bei Kriegszügen meist besonders schlimm durch Plünderungen und Zerstörungen. Da werden die eigenen Sorgen ganz klein. Wandert man noch höher auf den Berg, hat man einen fantastischen Blick über Donauwörth. Außerhalb der Stadt ist es vor allem das Waldgebiet Ottenhart/Karab mit seinen herausragenden Bodendenkmalen.
Was liegt Ihnen in Donauwörth besonders am Herzen?
Dass wir die Denkmale (egal ob Boden- oder Baudenkmale), die wir noch haben, auf jeden Fall erhalten. Gottlob ist man beim Wiederaufbau nach dem Krieg besonnen vorgegangen, was in anderen Kommunen häufig nicht gelang. Kein „Betonbunker“ beeinträchtigt bei uns das Stadtbild wie z.B. in Kempten oder Trier, und es ist bezeichnend, dass die Reichsstraße nun unter Ensembleschutz steht. Das darf auf keinen Fall kaputt gemacht werden.
Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft als Stadtheimatpflegerin?
Ich wünsche mir ein gutes Einvernehmen mit der Stadt Donauwörth, den kommunalen Gremien, mit Bauherren und Behörden und insbesondere mit den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt. Denkmale (egal ob immateriell oder materiell) verkörpern das Gedächtnis unserer Kultur, des Gemeinwesens in Stadt und Land. Meine Tätigkeit ist eine beratende. Ich möchte dafür werben, Denkmale zu erhalten. Aber es geht auch darum, einer Stadt Entwicklungsmöglichkeiten zu lassen. So ist es bisweilen mal notwendig, in eine historische Bausubstanz einzugreifen, um eine Entwicklung nicht zu verhindern. Auch heißt Denkmalschutz nicht zwingend, dass man auf Anlagen für erneuerbare Energien verzichten muss. Hier gibt es inzwischen in Bayern sehr attraktive Beispiele.
Ich möchte verbindend wirken und nicht konfrontativ. Allerdings stehe ich zu meiner Meinung und bringe meine ganze Erfahrung ein.
Wenn ich Donauwörth mit seinen Besonderheiten und Traditionen wirklich kennenlernen möchte, aber nur einen Tag Zeit habe – was sollte ich unbedingt tun?
Den alten Hafen und den Donauspitz, das Ried (mit einem Rundgang im Heimatmuseum) und die Reichsstraße besuchen. In der Promenade um die Burg Mangoldstein flanieren bis zum Tunnel (der übrigens der zweitälteste Eisenbahntunnel in Bayern ist), an der Freilichtbühne entlang zur alten Kaserne Richtung Fuggerhaus und zum Kloster Hl. Kreuz mit dem Grabmal der Maria von Brabant und dem Kreuzpartikel aus dem hohen Mittelalter. Die Treppe runter zur kleinen Wörnitz bis zur Stadtmauer, vorbei am Färbertörle und über das Rieder Tor zum Rathaus.
Natürlich muss man bei dem Rundgang abwägen, interessieren mich mehr die Museen oder die Baudenkmale. Auch will sicherlich das Thema Essen/Trinken nicht vernachlässigt werden. Im Sommer sollte eine Turmbesteigung (Liebfrauenmünster) nicht fehlen: Da sieht man dann fantastisch, wie die Stadt angelegt ist: vom römischen Brückenkopf im Osten am Ende der Via Claudia zur Handelsstadt mit ihren Hauptverkehrsachsen Richtung Nürnberg, ins Ries oder entlang der Donau nach Ulm bzw. Regensburg.
Warum muss man Heimat eigentlich pflegen?
Vorab: Jeder definiert Heimat anders. Zu dem bereits oben Gesagten nur eine kurze Ergänzung: Weil Heimat ein Stück weit die eigene, persönliche Identität geprägt und geformt hat, Erinnerungen wachhält. Sie vermittelt Sicherheit und Geborgenheit. Sie ist die Basis oft langjähriger Freundschaften. Und weil in dem Begriff viel mehr Verbindendes als Trennendes steckt.
Foto: Stadt Donauwörth / K. Stadlmayr.