Seit mehreren Tagen bereits überschwemmen dreiste Betrüger mit zahlreichen Anrufen immer wieder auch den Landkreis Unterallgäu und das Stadtgebiet Memmingen. Die Anrufer wählen dabei gezielt Telefonnummern lebensälterer Personen und geben sich fälschlicherweise als Polizeibeamte oder Staatsanwälte aus. Um ihre Opfer einem massiven emotionalen Druck auszusetzen, gaukeln die Betrüger ihnen geschickt vor, entweder in Gefahr eines bevorstehenden Einbruchs zu sein („Falscher Polizeibeamter“), oder aber ein naher Angehöriger (meist Sohn oder Tochter) habe einen Verkehrsunfall verursacht, bei welchem ein Unfallbeteiligter zu Tode kam („Schockanruf“).
Ziel der Täter ist es, durch geschulte Gesprächsführung zunächst die Vermögenssituation ihrer Opfer auszuforschen um die Höhe einer möglichen Beute auszubaldowern. Anschließend wird den Opfern suggeriert, dass ihr Geld weder auf der Bank noch Zuhause in Sicherheit sei oder dringend eine fällige Kaution über meist mehrere zehntausend Euro zur Umgehung der Untersuchungshaft des nahen Angehörigen bezahlt werden müsse. Abschließend sollen die Opfer dazu gebracht werden, Bargeld, Gold und Schmuck zur Sicherung durch die Polizei oder der eiligen Bezahlung einer Kaution an ihrer Haustür oder einem vereinbarten Übergabeort an einen Abholer der Polizei zu übergeben.
Fall 1 | Bankmitarbeiter verhindert Betrug
Mit diesen erfundenen Geschichten gelang es den Anrufbetrügern bereits am vergangenen Donnerstag eine sehr betagte Rentnerin dazu zu bewegen, eine mittlere fünfstellige Summe an ihrer Wohnung in Ottobeuren an einen falschen Polizisten auszuhändigen. Erst als sie dazu aufgefordert wurde, weitere 20.000 Euro Bargeld bei ihrer Hausbank zu holen, war ein aufmerksamer Bankmitarbeiter auf den Betrugsfall aufmerksam geworden und verständigte die Polizei. Nur so konnte letztlich der weitere Verlust eines hohen Geldbetrages verhindert werden.
Fall 2 | Geschädigter meldet sich bei der Polizei
Auch die Übergabe von 20.000 Euro eines 85-jährigen Rentners aus Bad Wörishofen wurde rechtzeitig vereitelt, nachdem dieser sich im Laufe mehrfacher Anrufe der Betrüger geistesgegenwärtig über Notruf an die Einsatzzentrale der Polizei wandte.
Fall 3 | Frau übergibt Geld an Betrüger
Nicht zu verhindern war jedoch die fast zeitgleiche Übergabe von 15.000 Euro einer 65-jährigen Frau aus dem Bereich Kempten, welche von den Tätern dazu überredet wurde, mit ihrem Auto in die Bahnhofstraße nach Memmingen zu fahren um dort die geforderte Kaution zur Abwendung der drohenden Haft ihrer Tochter zu bezahlen.
Fall 4 | Frau übergibt mittlere fünfstellige Summe
Ebenfalls erfolgreich waren die Betrüger leider am 28.07.2023 in Bad Wörishofen. Die Geschädigte aus Bad Wörishofen erhielt einen Anruf von bislang unbekannten Tätern. Diese gaben sich als Polizeibeamte aus und teilten der Geschädigten mit, dass ihre Nichte einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hätte. Die Frau fuhr daher nach Kaufbeuren und übergab dort eine fünfstellige Summe an eine unbekannte Abholerin.
Fall 5 | Festnahme zweier Tatverdächtiger
Am Nachmittag des 01.08.2023 schnappte jedoch die Falle der Memminger Kriminalpolizei zu. Anrufbetrüger waren über mehrere Stunden in Kontakt mit einer 59-jährigen Memmingerin. Auch diese sollte aufgrund eines Einbruchs in der Nachbarschaft und der Vorspiegelung vermeintlich korrupter Bankmitarbeiter ihr Bankschließfach räumen um ihr Vermögen in die sichere Obhut der Polizei zu übergeben. Geistesgegenwärtig war es der cleveren Frau jedoch gelungen, unbemerkt die „richtige“ Polizei zu informieren.
Als es schließlich zur vereinbarten Übergabe von Goldmünzen und Bargeld kommen sollte, begrüßten statt der Frau die Ermittler des zuständigen Fachkommissariats der Kriminalpolizeiinspektion Memmingen den vermeintlich seriösen Polizisten und nahmen ihn widerstandslos fest. Bei dem Abholer handelte es sich um einen 37-jährigen Mann aus der Schweiz, der offensichtlich durch Hintergrundmänner eines sogenannten Callcenters zur Geldabholung nach Memmingen gelotst worden war.
Im Rahmen der Festnahme ermittelten die Beamten, dass sich ein weiterer Täter in unmittelbarer Nähe zum Tatort aufhalten musste, um auf seinen Komplizen zu warten. Wenig später stellten Beamte das Fahrzeug mit Schweizer Kennzeichen im Bereich des Kaisergrabens fest. Der Fahrer versuchte noch, mit dem Fahrzeug zu fliehen, dabei missachtete er unter anderem eine rote Lichtzeichenanlage. Letztlich stoppten Beamte der Memminger Kriminalpolizei den Mann nach kurzer Verfolgung und überwältigten ihn. Bei seiner Festnahme leistete der Mann erheblichen Widerstand, glücklicherweise blieben jedoch sowohl die festnehmenden Beamten als auch der freiheitsliebende Täter unverletzt. Zu Sachschäden war es ebenfalls nicht gekommen.
Die weiteren Ermittlungen | Zeugenaufruf
Auch der 32-jährige Fahrer des Fluchtfahrzeuges hat seinen gewöhnlichen Wohnsitz in der Schweiz. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Memmingen führten die Beamten beide Männer dem zuständigen Richter beim Amtsgericht Memmingen vor. Dieser ordnete die Untersuchungshaft an und die Beamten brachten beide Tatverdächtigen in Justizvollzugsanstalten.
Die Kriminalpolizeiinspektion Memmingen prüft nun, inwieweit diese Tätergruppierungen auch mit den eingangs erwähnten Taten in Zusammenhang stehen und versucht die entsprechenden Drahtzieher eines dahinerstehenden Callcenters zu identifizieren. Die Ermittlungen unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Memmingen dauern daher noch an.
Im Fall 4 bittet die Kriminalpolizei Kaufbeuren um Zeugenhinweise. Die Geldübergabe fand am 28.07.2023 gegen 13:45 Uhr in der Nähe des Amtsgerichts, gegenüber der Josef-Landes-Schule, statt. Die Geldabholerin wird wie folgt beschrieben: weiblich, circa 25 Jahre alt, circa 160 cm groß, schlank, schulterlange Haare mit Pferdeschwanz, rosa Stirnband, auffällige Hautveränderung (Pigmentstörung) am Mund bis zum Hals.
Die Kriminalpolizei Kaufbeuren hat die Ermittlungen übernommen und bittet Zeugen, welche etwas Verdächtiges gesehen haben, oder Hinweise zur Tat oder den Tätern machen können, sich unter Telefon 08341/933-0 zu melden
Die Zahlen
Im gesamten Allgäu wurden im Jahr 2022 über 500 Fälle des Phänomens Callcenterbetrug zur Anzeige gebracht. Dabei waren die Täter in 23 Fällen erfolgreich und erbeuteten eine Summe von insgesamt 1,8 Million Euro.
In diesem Jahr wurden bereits fast 300 Fälle angezeigt, die Täter erbeuteten in zwölf Fällen eine Summe von etwa 460.000 Euro.