Vom Venedig Bayerns zum bayerischen Hawaii
Surffreunde haben mit Bau der Surfwelle Augsburg begonnen
„Die Zeit ist knapp“, sagt Till Geier, Gründer und Vorstand der Surffreunde Augsburg e.V.,
„innerhalb von zwei Wochen, bevor der Senkelbach wieder geflutet wird, muss die
grundlegende Betonkonstruktion fertig eingebaut sein“. Zahlreiche ehrenamtlich
engagierte Mitglieder des Vereins packen momentan gemeinsam mit regionalen Baufirmen
und viel Herzblut an, um das enge Zeitfenster des Bachablasses zu nutzen.
Dank seiner vielen Kanäle aus den Hochzeiten der örtlichen Textilproduktion wird Augsburg auch liebevoll „Venedig Bayerns“ genannt. „Jetzt macht sich die Wasserstadt
mit ihrem einzigartigen und als UNESCO-Welterbe ausgezeichnetem Wassersystem auf
den Weg, zum bayerischen Hawaii zu werden“, so Dr. Peter Miehle, ebenfalls
Vorstandsmitglied.
Der Senkelbach am Plärrer wird durch die Surfwelle sicherer
Bayerns Sportminister Joachim Herrmann, dessen Ministerium den Wellenbau fördert,
blickt zum Baubeginn über die sportlichen Aspekte hinaus. „Mit der neuen Wellenrampe
entsteht eine moderne Sportstätte für einen bayerischen Sportverein mit großem
ehrenamtlichem Engagement junger Menschen und gleichzeitig wird eine ungünstige
Situation im Senkelbach entschärft. Denn bis zum jetzigen Umbau konnten die teils
unterspülten Querbalken an dieser Sohlschwelle zu lebensgefährlichen Situationen führen.
Aus meiner Perspektive ist das eine seltene, aber perfekte Symbiose aus Sport,
gemeinnützigem Engagement und innerstädtischer Sicherheit“. Künftig wird der Bachlauf
in diesem Segment durch eine ungefährliche Stufe aufgestaut. Auf acht Meter Breite wird
das abfließende Wasser auf der Rampe eine fürs Surfen ausreichende Geschwindigkeit
erreichen. Die gefährliche Deckwalze, in der Menschen oder Tiere hängen bleiben können,
verschwindet dadurch.
Die Surframpe ist eine patentierte Innovation aus Augsburg
Ihre surfbare Form erhält die Welle durch eine Art einstellbaren „Spoiler“, der auf der
Rampe am Grund des Senkelbachs sitzt. „Einfach und genial“, sagt der Landtagsabgeordnete Dr. Fabian Mehring, der das Surfprojekt seit Jahren unterstützt und
auch dafür gesorgt hat, dass der Bayerische Landtag über die Sportförderung bis zu
180.000 Euro für die Surfwelle in Augsburg bereitstellt. „Die Surfwelle wird ein neuer Leuchtturm der Naherholung im Herzen unserer Heimat und passt perfekt zur Umwelt- und Wasserstadt Augsburg. Wie Ehrenamt, Forschung und Wirtschaft in der Region dabei
zusammenwirken, macht die Augsburger Welle zu einem einzigartigen Projekt. Mit der
innovativen Bauweise legen wir den Grundstein für ‚Surftechnik made in Augsburg‘. Aus
dieser Kombination von Heimat und High-Tech können eine Menge Folgeprojekte
entstehen, weil viele Städte und Gemeinden darüber nachdenken, wie innerörtliche
Fließgewässer attraktiver gemacht werden können. Immer mehr Menschen setzen auf
Naherholung statt Ferntourismus und erhalten dafür im Zusammenspiel von Freistaat und
Bezirkshauptstadt am Senkelbach ein neues Highlight“. Augsburgs Oberbürgermeisterin
Eva Weber unterstreicht ebenfalls die Bedeutung des Projekts: „Die Surfwelle fließt
perfekt in die DNA der Stadt Augsburg mit ihrer jahrzehntelangen Wildwassertradition und
ihrem von der UNESCO als Welterbe ausgezeichneten, einzigartigen
Wasserwirtschaftssystem ein. Damit stärken wir dieses Profil, was Augsburg als
Wirtschafts- und Sportstandort mit hoher Lebensqualität aufwertet.“
Wann geht’s endlich los?
Die erste Bauphase ist kritisch. Denn Bau- und Sanierungsmaßnahmen im Senkelbach
können nur einmal jährlich während des Bachablasses durchgeführt werden. Daher liegt
der Fokus momentan darauf, alle der vorproduzierten Betonbauteile einzubauen, die später unter Wasser sein werden. Die Surfwelle ist ein ambitioniertes junges Projekt, auf das man in Augsburger stolz sein kann. Ob bereits in 2023 gesurft werden kann, ist noch ungewiss. „Wie bei jedem Bauwerk weiß man aber erst, auf was man sich eingelassen hat, wenn die ersten Löcher gebohrt wurden. Bis wann die Anlage komplett fertig sein wird, ist aus heutiger Sicht noch nicht absehbar“, so die Surffreunde, “Sicherheitsvorrichtungen, Wellenmechanik und Aufenthaltsplattformen werden wir erst fertigstellen können, wenn der Senkelbach wieder gefüllt ist. Wir arbeiten parallel an der Finanzierung dieser Maßnahmen”.
Crowdfunding für die Fertigstellung und Testphasen läuft schon
In Sachen Finanzierung unterstützt neben dem Freistaat auch die Stadt Augsburg den Bau
der Surfwelle finanziell. Auf Initiative von Sportreferent Jürgen K. Enninger stehen bis zu
90.000 Euro zur Verfügung. Die Sicherheits- und Verträglichkeitskonzepte können aber
erst nach der Fertigstellung der Surfanlage geprüft und weiterentwickelt werden. Für
diese Testphasen werden weitere Kosten anfallen. Um als gemeinnütziger Verein finanziell
unabhängig bleiben zu können, haben die Surffreunde bereits eine Crowdfunding-
Kampagne unter www.surfwelleaugsburg.de gestartet, um möglichst 80.000 Euro zu
sammeln. „Es ist beeindruckend, mit wie viel Engagement junge Augsburgerinnen und
Augsburger ihre Stadt mitgestalten wollen. Wir würden uns freuen, wenn sich möglichst
viele Bürgerinnen und Bürger anschließen und für dieses einzigartige Projekt spenden“,
so die Surffreunde.
Behutsamer und klimaneutraler Einstieg ins urbane Surfen
Um das Surfen in Augsburg konfliktfrei und behutsam aufzubauen, wird die Anlage nach
den Testphasen behutsam und schrittweise zum Surfen geöffnet. „Das bedeutet, dass die
Öffnungszeiten erst nach und nach ausgeweitet werden. Dabei werden immer
Lebensretter und Aufsichtspersonal anwesend sein und es darf nur eine begrenzte Anzahl
an Surfer:innen gleichzeitig auf der Anlage sein. Die Sportnutzung wird ausschließlich
innerhalb des Kanals stattfinden. Auch der Ausstieg aus dem Wasser – nach dem
unvermeidlichen Abstieg vom Surfbrett – wird direkt zurück auf die Wellenanlage innerhalb des Senkelbachs führen. Während der Nachtstunden bleibt die Anlage generell
geschlossen“, sagen die Surffreunde. Die Welle soll möglichst rasch eine sichere,
anwohnerfreundliche und attraktive Sportstätte werden.
Wegweisende Technologieentwicklung mit höchstem Klima- und Ressourcenschutz
Stolz sind die Surffreunde auch darauf, „dass die Welle vollkommen ohne
Energieverbrauch funktionieren wird, also klimaneutral und unabhängig von der
Energieversorgung. Die Welle entsteht durch die natürliche Kraft des Wassers und die
Mechanik wird durch Muskelkraft bedient”. Aber auch die Konstruktion selbst ist ein
technisches Novum. Die Rampenteile wurden seit Ende vergangenen Jahres in einem
gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekt der Surffreunde mit der Technischen
Hochschule Augsburg entwickelt. „Wir haben hier in Augsburg ein urbanes
Vorzeigeprojekt, das in Sachen Hightech europaweit seinesgleichen sucht und in dem wir
die Expertisen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gebündelt haben.
Hochinnovative Carbonfasern erlauben die geschwungene Form der Bauteile. In
Kombination mit einem zu 100 Prozent recycelten Gesteinszuschlag im Beton ist die
Surfwelle aus Carbon-Recyclingbeton unser Technikbeitrag zur Ressourcenschonung
und Nachhaltigkeit“, freut sich der Präsident der Technischen Hochschule Augsburg
(THA) Prof. Dr. Dr. h.c. Gordon Thomas Rohrmair. Die Rezeptur für den neuen Beton
wurde ebenfalls an der THA von Prof. Dr.-Ing. Sergej Rempel entwickelt.
Gegossen wurden die neuartigen Betonteile bei Lauter Beton in Bobingen. „Die Surfwelle
war eine Chance für die Firmen in der Region, ihre zukunftsweisenden Technologien in
einem gemeinsamen Projekt umzusetzen. Die Kooperation mit der THA, unseren
Partnerunternehmen und den Surffreunden hat so zu diversen Innovationen geführt und
den bisherigen Erfolg möglich gemacht. Diese Bereitschaft zur Zusammenarbeit und
Materialforschung sehen wir auch für die Zukunft als große Stärke des
Wirtschaftsstandorts Augsburg“, sagt Maximilian Lauter, der selber an der THA studiert
hat.
Bild: Oliver Seitz