Die Pläne zur „Grünten Bergwelt“ sind Geschichte. Dazu die Stellungnahmen der Gemeinde Rettenberg und des Bund Naturschutz
Gemeinde Rettenberg – Erster Bürgermeister Nikolaus Weißinger
Die Sanierungs- und Ausbaupläne der früheren Grüntenlifte zu einer „Grünten Bergwelt“ oberhalb der Gemeinde Rettenberg (Landkreis Oberallgäu) sind hinfällig. Familie Hagenauer sei sich inzwischen sicher, dass eine Umsetzung, auch des bereits inhaltlich massiv reduzierten Projekts, unmöglich sei. Daher hat sich die Betreiberfamilie entschlossen, ihr Investitionsvorhaben abzubrechen. „Die Gemeinde Rettenberg hat über Monate hinweg versucht, alle Beteiligten zu einer einvernehmlichen Lösung zu bewegen“, sagt Bürgermeister Nikolaus Weißinger (CSU). „Obwohl sich die Projektträger, die Unternehmerfamilie Hagenauer der BergWelt GmbH & Co. KG, hinsichtlich des Ausbau- und Investitionsvorhabens weit auf die lokalen Forderungen eingelassen haben, war es nicht möglich, eine
Planungssicherheit herzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob private Grundstücksanrainer und -eigentümer den vorgesehenen Baumaßnahmen förderlich gegenüberstehen.“
Erster Bürgermeister Nikolaus Weißinger hatte mit Amtsbeginn zum 1. Mai 2020 bereits die Pläne zum Ausbau der Grüntenhütte auf dem Kamm des bekannten Allgäuer Bergs sowie der Grüntenlifte als gegeben vorgefunden. Schon im Sommer 2019 hatte die einheimische Familie Hagenauer als Eigentümer der BergWelt GmbH & Co. KG die insolventen Grüntenlifte mit der in Erbpacht zugehörigen Parzelle
Grüntenhütte gekauft. Damals waren Ausbaupläne und entsprechende Abmachungen mit betroffenen Grundstückseigentümern für die Errichtung einer modernen Gondel- sowie Sesselliftanlage und einer Gastronomie in der Grüntenhütte vorgelegen.
Wiederholt hatte sich Weißinger persönlich dafür eingesetzt, die verfahrene Situation um Sanierung und Ausbau der veralteten Anlagen zu beheben und besonders die betroffenen Grundstückseigentümer, unter ihnen auch die örtliche Alpgenossenschaft, mit dem Bauherrn in ein konstruktives Gespräch zu bringen. Ein Vorgehen, was nach einem entsprechenden einstimmigen Gemeinderatsbeschluss auch seitens der Landrätin Indra Baier-Müller (FW) begrüßt worden war.
Doch blieben die Interessenskonflikte, die vor allem in der für den geplanten Ausbau und Betrieb notwendigen Nutzung und Querung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen in Privathand lagen, bestehen. „Es ist bedauerlich, dass die Bereitschaft der Familie Hagenauer zu einer friedlichen Schlichtung und ihre auch finanziell aufwändigen Umplanungen ins Leere gelaufen sind“, resümiert Erster Bürgermeister Nikolaus Weißinger. „Die schon bei Projektübernahme durch die Investoren vorgesehenen Maßnahmen zur Ertüchtigung der Infrastruktur sind von ihnen mehrfach angepasst worden.“ Nun sei für die Unternehmerfamilie keine weitere Adaption mehr möglich, zumal keine wirtschaftliche Betriebsführung unter den zuletzt im Raum stehenden Nutzungsbedingungen einiger notwendiger Privatgrundstücke in Aussicht stehe. Außerdem sei vertraglich geschuldeten Grundschuldbestellungen nicht zugestimmt worden, was die Umsetzung der bereits im Landratsamt eingereichten Planung unmöglich macht.
„Die Eigentumsverhältnisse am Berg sind vom Aus der Grünten Bergwelt nicht betroffen“, erläutert Weißinger weiter. „Wir sind konsequent stark daran interessiert, in offenen Fragen zukunftsfähige Lösungen für alle Interessensgruppen und die Öffentlichkeit, auch unter Gesichtspunkten des Naturschutzes, herzustellen.“
Der 1738 Meter hohe Grünten wird durch seine exponierte Lage als eines der Markenzeichen des Allgäus angesehen und ist geologisch Teil der regionaltypischen Nagelfluhberge. Die Anliegergemeinde Rettenberg setzt weiterhin auf eine Tourismusstrategie zu einer naturverträglichen Freizeitnutzung und betont dabei auch den hohen Stellenwert eines schonenden Umgangs mit dem Hausberg Grünten.
Folgend eine Chronologie wichtiger Ereignisse aus kommunaler Sicht.
Bund Naturschutz
Der BUND Naturschutz und die Bürgerinitiative „Rettet den Grünten“ begrüßen die Aufgabe der heftigen Erschließungspläne am Grünten. Jetzt müssen gemeinsam naturnahe Tourismuskonzepte für den „Wächter des Allgäus“ entwickelt werden. „Einmal mehr wird am Grünten klar: Großerschließungspläne in den bayerischen Alpen stoßen auf erheblichen Widerstand in der Bevölkerung und lassen sich nicht mehr durchsetzen“, so Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz. „Jetzt geht es darum, gemeinsam mit Bürger*innen, Tourismuswirtschaft und Umweltverbänden ein naturnahes Tourismuskonzept für den Grünten zu entwickeln, bei dem die Tier- und Pflanzenwelt nicht unter die Räder kommt. Wir fordern Wirtschaftsminister Aiwanger auf, Fördermittel von Schneekanonen und Seilbahnen in naturnahe Tourismuskonzepte umzulenken. “ Adrian Gioja, Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet den Grünten“ ergänzt: „Wir blicken optimistisch in die Zukunft und wollen uns bei den vielen Unterstützer*innen bedanken, nur gemeinsam war dieser Erfolg möglich! Es ist nun an der Zeit, zusammen an einer zukunftsfähigen Alternative für unser aller Grünten zu arbeiten. „Das Erschließungsvorhaben hätte erhebliche Eingriffe in geschützte Biotope und das europäische Fauna-Flora-Habitat-Gebiet mit sich gebracht. Es ist gut, dass diese Pläne jetzt vom Tisch sind“, so Alfred Karle-Fendt, von der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu. Mit dem ehemals geplanten Sommer- und Winterausbau am Grünten wären über 5,5 ha Flächenversiegelung, 3,3 ha Bergwaldrodung und ca. 10 ha Zerstörung oder Beeinträchtigung von Biotopen verbunden gewesen. Mehr Verkehr und Tagestourismus wären die Folge gewesen. Es drohten Beeinträchtigungen von Schutzgebieten (FFH-Gebiet, Landschaftsschutzgebiet).
Geplant war:
– Eine neue 10er-Gondelbahn auf neuer Trasse im Landschaftsschutzgebiet mit einer Transportkapazität von 1500 Personen pro Stunde.
– Große, bis zu vierstöckige Gebäude im Bereich der Talstation, der Mittelstation und der Bergstation.
– Zwei Großgastronomie-Angebote im Bereich des Grüntengrates (Bergstation und Grüntenhütte) mit Veranstaltungen und Feiern bis tief in die Nacht hinein mit Sonderfahrten der Seilbahn.
– Ein Ausbau des Skigebiets mit einer Vergrößerung der künstlichen Beschneiung von 9 auf 24 ha. Das Skigebiet liegt in einer Höhenlage zwischen 900 und 1500 m.
– Ergänzend dazu solle ein neues, zwei Fußballfelder großes Speicherbecken mit einem Volumen von über 43.000 m³ gebaut werden, dessen Dämme 15 m hoch würden.
– Für die über 100 neuen Beschneiungsschächte für Schneekanonen wären erhebliche Erdbaumaßnahmen am ganzen Berg, u. a. in geschützten Biotopen notwendig gewesen.
– Darüber hinaus hätten in Shops diverse Outdoorangebote, wie Gleitschirmfliegen oder ein Kletterausrüstungsverleih angeboten werden sollen. Auch Trailrunning-Events waren geplant.
– Zur Erschließung des Berges war eine zusätzliche neue 6 km lange Erschließungsstraße geplant, welche durch geschützte Biotope, Waldmoore und Bergwälder, z. T. Schutzwälder geführt hätte.
– Im Bereich der Talstation wäre ein vierstöckiges Parkhaus, ein Parkplatz und eine 7 m breite Zufahrtstraße in geologisch labilem Gebiet entstanden.
Mit den Ausbauten wäre ein erheblicher Tagesausflugsverkehr generiert worden, welcher aus Klimaschutzsicht zu vermeiden ist. Denn ca. 75 % der Klimagasemissionen des Alpentourismus kommen aus dem Verkehr. Zudem hätten die Investitionen nach Ansicht des BN eine erhebliche Beeinträchtigung des europäischen Fauna-Flora-Habitat-Gebiets „Grünten“ zur Folge gehabt. Durch den Massenansturm am Berg wären europäisch geschützte Lebensraumtypen zerstört worden. Zuletzt wurde von Seiten der Gemeinde versucht, eine abgespeckte Version des Vorhabens zu verwirklichen. Aber auch dieser Versuch scheiterte letztendlich an den Grundbesitzern am Grünten.