Manager Stefan Reuter legte den Arm um den geknickten Iago nach dessen denkwürdigem Platzverweis und begleitete den spielentscheidenden Profi noch ein paar Meter in die Stadionkatakomben. 3:0 stand es da für den FC Augsburg gegen Pokalsieger und Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig. Als Reuter eine halbe Stunde später dieselben Treppenstufen nahm, hatte sein Team durch ein 3:3 den eigentlich sicheren Sieg in Unterzahl doch noch aus der Hand gegeben.
«Wenn du 3:0 führst nach einer Stunde, dann solltest du das über die Runden bringen. Da dürfen wir uns nicht provozieren lassen», haderte Reuter. «Cool sein – das ist einfach was, woraus wir lernen müssen.»
Mergim Berisha (34. Minute/Foulelfmeter), Ermedin Demirovic (51.) und Ruben Vargas (64.) ließen den Großteil der 25 109 Zuschauer Tor für Tor frenetischer zur Augsburger-Puppenkisten-Torhymne jubeln. Bis Iago erst foulte, dann schubste – Schiedsrichter Robert Schröder zückte blitzschnell Gelb und Gelb-Rot. «Saublöd, saudumm. Das muss man auch intern ansprechen, das ist der einzige Grund, warum wir das Spiel weggeben», schimpfte Angreifer Florian Niederlechner.
Während die Teamkollegen versuchten, diesen verrückten Fußball-Nachmittag zu erklären, hockte Berisha mit seinem früheren Salzburger Mitspieler, dem heutigen Leipziger Dominik Szoboszlai, beim lockeren Plausch auf dem Boden im Raum zwischen den Kabinen herum. Beinahe wäre U21-Europameister Berisha wie schon im September beim 1:0 gegen den FC Bayern gegen RB als Torschütze und zweifacher Vorbereiter wieder zum Matchwinner geworden. «Er hat ein gutes Spiel gemacht», lobte Trainer Enrico Maaßen. Berishas Name wird weiter im Zuge der WM-Kandidaten genannt.
Maaßen wurmte es, dass seine Mannschaft in einem bis zur Gelb-Roten Karte «fantastischen Spiel» und einem «Ritt auf der Rasierklinge» nicht gewonnen hatte. Gelb-Rot sei berechtigt gewesen, räumte Maaßen ein, der sich kurz nach dem Schlusspfiff verständlicherweise noch sehr emotional die Gelbe Karte abgeholt hatte. «Der Platzverweis war der Knackpunkt.» Es falle ihm schwer zu sagen, dass man einen Punkt gewonnen habe, sagte der 38 Jahre alte Coach. «Aber man darf auch nicht vergessen, gegen wen wir gespielt haben.»
Nach dem 1:0-Sieg gegen Bayern im September wäre ein weiterer Erfolg gegen ein Topteam ein weiteres großer Zeichen für den Augsburger Aufschwung gewesen. André Silva (73. Minute), Christopher Nkunku (89.) und Hugo Novoa (90.) brachten Leipzig drei Tage vor dem Highlight-Spiel in der Champions League gegen Real Madrid noch einmal zurück. «Wir haben denen selbst geholfen, wieder zurück ins Spiel zu kommen. Das darf einfach nicht passieren», sagte Kapitän Jeffrey Gouweleeuw. «Das ist ärgerlich, dass wir das Spiel noch herschenken.» Ohne die Gelb-Rote Karte wäre Leipzig «nicht mehr zurückgekommen».
Iago (25) müsse keine «außerordentliche Strafe» befürchten, sagte der Coach. «Er hat sich bei der Mannschaft entschuldigt. Er weiß, was passiert ist», sagte Maaßen. Für solche Fälle habe man einen normalen Strafenkatalog. Das bleibe aber intern. Der brasilianische Außenverteidiger sei «traurig und enttäuscht».
Die Schwaben hatten zahlreiche verletzte Spieler zu beklagen, auch Torschütze Berisha war nach einer Blessur und mit einer Gelben Karte vorbelastet kein Kandidat für 90 Minuten. «Wir müssen alles dafür tun, dass die Spieler wieder zurückkommen so schnell wie möglich. Und mit kleinen Wehwehchen muss man auch umgehen können und spielen. Das gehört einfach dazu», sagte Abwehrchef Gouweleeuw. «Es sind noch vier Spiele bis zur Pause und dann müssen wir alles geben. Gegen Leipzig hatten wir die drei Punkte verdient.» Stuttgart (A), Frankfurt (H), Union Berlin (A) und Bochum (H) sind die weiteren Gegner bis zur WM-Pause.