Die derzeit geltenden Corona-Isolation und -Quarantäne für alle aufzuheben – das hält der Augsburger Landrat Martin Sailer trotz hoher Infektionszahlen für weiterhin absolut sinnvoll und notwendig. Eine Meinung, die kontrovers diskutiert wird, aber zu der er
trotz aller Kritik steht: „Auch, wenn sich in unserem Landkreis heute bereits 1.000 Menschen täglich nachweislich mit dem Virus infizieren, sollte das nicht automatisch dafür sorgen, dass diese auch in staatlich angeordnete Isolation und Quarantäne müssen.“
Bestärkt fühlt sich der Landrat insbesondere durch Informationen, die das Robert-Koch-Institut auf seiner Internetseite zur nicht quarantänepflichtigen Influenza veröffentlicht hat. Hier steht unter anderem, dass saisonale Influenzawellen in Deutschland jährlich zwischen einer und sieben Millionen zusätzliche Arztkonsultationen verursachen, in Jahren mit starken Grippewellen auch deutlich mehr. Zudem weisen Daten des RKI-Bürgerportals GrippeWeb darauf hin, dass sich nur etwa einer von drei Erkrankten mit typischen
Grippesymptomen überhaupt in ärztliche Behandlung begibt. Demnach erkranken während einer saisonalen Grippewelle in Deutschland etwa zwei bis dreimal mehr Menschen an Grippe, als über die zusätzliche Zahl der Arztkonsultationen geschätzt wird. Die Zahl der Infektionen während einer Grippewelle, denn nicht jede infizierte Person erkrankt, wird vom RKI deshalb auf fünf bis 20 Prozent der Bevölkerung geschätzt, in Deutschland wären das vier bis 16 Millionen Menschen. „Und stecken wir diese in Isolation oder Quarantäne? Natürlich nicht. Denn wir haben in der Vergangenheit immer auf ein gesundes Maß an Vernunft und Eigenverantwortung gesetzt und das ist auch richtig so“, bekräftigt Sailer. Wer sich nicht gut fühlt, soll sich seiner Meinung nach wie vor der Pandemie zu Hause auskurieren.
Die kürzlich vom Bund getroffene Entscheidung, nun Basisschutzmaßnahmen wie die, die Maskenpflicht in Innenräumen aufzuheben, kann er dagegen nicht nachvollziehen: „Eine Maske zu tragen, war in der Vergangenheit nachweislich der beste Schutz vor einer
Corona-Infektion. Gleichzeitig hat sie unseren Alltag am wenigsten negativ beeinflusst.
Warum die Maskentragepflicht jetzt noch vor der Aufhebung von Isolation und Quarantäne wegfällt, erschließt sich mir nicht.“ Landrat Sailer: „Ohne Impfpflicht wird vorhandene Impflücke nicht geschlossen“ Selbstverständlich ist es auch für den Landrat wichtig, die Zahl schwerer Erkrankungen, Langzeitfolgen und Todesfälle aufgrund von Corona-Infektionen nach Möglichkeit zu minimieren. „Aus diesem Grund werben wir im Landkreis seit Monaten sehr proaktiv dafür, sich impfen und auch boostern zu lassen“, betont er.
Allerdings glaubt Sailer nicht, dass sich die Zahl der Impfwilligen in den kommenden Monaten noch signifikant steigern wird. „Die Nachfrage ist einfach nicht da und wer sich bis heute nicht für die Impfung entschieden hat, wird es im Zweifel auch jetzt nicht
mehr tun. So lange es keine Impfpflicht gibt – und ob die unter den gegebenen Umständen noch rechtlich haltbar wäre, ist fraglich – wird die vorhandene Impflücke in Deutschland nicht geschlossen werden.“ Das liegt dem Landrat zufolge auch daran, dass die Impfung die Menschen nicht vor einer Ansteckung schützt und die Symptomatik insgesamt bei einem Großteil der Betroffenen sehr mild ist.
„Natürlich gibt es – wie bei nahezu jeder Krankheit – auch noch schwerwiegendere
Erkrankungen“, weiß Sailer, „doch die Wahrscheinlichkeit für eine tödliche Entwicklung ist seit Jahresbeginn mit Omikron deutlich gesunken.“
Krankenhäuser nicht durch COVID-Patienten überlastet Gleiches gelte für die Situation in den Krankenhäusern im Leitstellenbereich Augsburg, der die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen, Donau-Ries sowie die Stadt Augsburg umfasst: „Es war immer unser Ziel, unser Gesundheitssystem vor einer Überlastung durch COVID-
Erkrankte zu schützen. Mit Blick auf die Bettenbelegung ist uns das wohl gelungen.
Denn wir beobachten inzwischen seit Längerem, dass trotz sehr hoher Inzidenzen lediglich ein geringer Teil der Betten auf Intensiv- und Normalstationen von positiv getesteten Personen belegt wird. Heute sprechen wir beispielsweise von 19 von 145 Intensivbetten sowie 231 von 2.926 Normalbetten.“ Besonders gravierend ist für den Landkreis-Chef, dass bei diesen Zahlen noch nicht einmal klar ist, wie viele der Betroffenen wegen ihrer Corona-Infektion im Krankenhaus sind oder aufgrund einer anderen Ursache. Er ist sich sicher: Die Belastung der Kliniken ist unter anderem auch deshalb so hoch, weil ein großer Teil des Personals häufig quarantänebedingt ausfällt und zudem obligatorisch auf das Virus getestete Patienten – unabhängig von ihrer Symptomatik – innerhalb der Kliniken separiert werden müssen. Für Landrat Sailer ist das ein weiteres Argument für die Aufhebung von Isolation und Quarantäne, weshalb er sich auch Unterstützung von der Bayerischen Staatsregierung erhofft: „Sicherlich wäre hier ein bundeseinheitliches Vorgehen an dieser Stelle wünschenswert. Allerdings sind wir in Bayern in den vergangenen zwei Jahren schon häufiger einen Sonderweg gegangen, wenn es für richtig gehalten wurde. Ein Vorstoß unserer Landesregierung würde mich an dieser Stelle in jedem Fall freuen.“