Weltweite Aktionen am heutigen Tag der seltenen Erkrankungen. Die Kinderklinik als Teil des Zentrums für seltene Erkrankungen erstrahlt in mehreren Farben. Bei Bruno spielen die Hormone verrückt, Schuld ist ein Hirntumor.
Sechs Jahre alt war Bruno, als ihn plötzlich starke Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen plagten. „Er lag manchmal vor Schmerzen stöhnend zusammengekrümmt auf dem Bett“, erzählt seine Mutter Petra Pfützner, „ein Bild, das mir schier das Herz zerrissen hat.“ Es folgten erste Arztbesuche und Klinikaufenthalte, die zur Suche „von Pontius zu Pilatus“ wurden. Der Weg bis zu einer Diagnose ist für Betroffene mit einer seltenen Erkrankung häufig ein langer. Brunos Glück war, dass bei ihm in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin von Fr. Dr. Désirée Dunstheimer, Spezialistin für Hormonerkrankungen im Kindes- und Jugendalter, aufgrund eines ausgeprägten Durstgefühls sehr schnell die Diagnose Diabetes insipidus gestellt wurde. Die endgültige Ursache des Diabetes insipidus war zunächst niederschmetternd: Denn es fand sich ein Tumor im Bereich der Hirnanhangsdrüse. Der Tumor selbst ist zwar gutartig, allerdings werden in der Hirnanhangsdrüse, die nur wenige Millimeter groß ist, viele lebensnotwendige Hormone hergestellt.
Glücklicherweise konnten durch eine Operation große Teile des Tumors entfernt werden. Verschiedene Medikamente, die die fehlenden Hormone ersetzen, ermöglichen Bruno heute ein weitgehend normales Leben. Diese sind nötig für ein normales Wachstum, für die Regulierung von Durst- und Harndrang sowie die Schilddrüsenfunktion. Trotz aller Einschnitte durch die seltene Erkrankung hat Bruno seine offene und fröhliche Art nicht verloren. Im Gegenteil: Sein Bild für die Kunstaktion „Selten allein“ zum diesjährigen 15. weltweiten Tag der Seltenen Erkrankungen am 28. Februar strotzt nur so vor Farbe.
Viele weitere bewegende Kunstwerke werden seit dem 18. Februar in Ausstellungen an den Universitätskliniken, in einigen Bahnhöfen und auf der Website www.seltenallein.de gezeigt. Neben den eingereichten Kunstwerken stellen Steckbriefe die Künstler und ihre jeweilige Krankheit vor. Die Website sensibilisiert für das Thema „Seltene Erkrankungen“, bietet Informationen und Betroffenen die Gelegenheit, sich zu vernetzen. Am Universitätsklinikum Augsburg gibt es seit 2020 das Augsburger Zentrum für seltene Erkrankungen (AZeSE) unter der Leitung von Dr. Desirée Dunstheimer, die Bruno in Bezug auf die Hormonausfälle betreut. Die Kinderklinik Augsburg | Mutter-Kind-Zentrum Schwaben, wird als Teil des AZeSE aus diesem Anlass heute in den Farben Pink, Grün, Blau und Lila (die offiziellen RARE DISEASE Farben) erstrahlt. Das AZESE versteht sich als eine zentrale Anlaufstelle, die Betroffene mit einer gesicherten seltenen Erkrankung dabei unterstützen soll innerhalb oder außerhalb des UKA den richtigen Ansprechpartner zu finden. Auch Patienten mit unklarer Diagnose können Sie sich an das Zentrum wenden – unabhängig davon, ob es sich um ein Kind, Jugendlichen oder Erwachsenen handelt.
Die Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE) der Universitätskliniken haben die Kunstaktion ins Leben gerufen. Unterstützt wird sie vom Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE, www.achse-online.de) und den Einkaufsbahnhöfen (www.einkaufsbahnhof.de). So zeigen neben vielen Universitätskliniken die Bahnhöfe Dresden Hauptbahnhof, Dresden-Neustadt, Berlin Zoo und Friedrichstrasse, Freiburg, Heidelberg, Tübingen, Halle, Mainz und Mannheim die Kunstwerke in Ausstellungen.
Professor Jens Scholz, 1. Vorsitzender des VUD: „Die Aktion soll Aufmerksamkeit für die Seltenen Erkrankungen erzeugen und den Blick auf die vier Millionen Menschen lenken, die unter einer dieser Erkrankungen leiden. Oft durchlaufen Betroffene eine jahrelange Odyssee im Gesundheitssystem – einschließlich des verzweifelten „Ärztehoppings“ – bis ihre Krankheit von Ärztinnen und Ärzten der Universitätskliniken richtig diagnostiziert und behandelt werden kann. Diese Patientinnen und Patienten bedürfen einer besonders zeitintensiven Zuwendung und einer aufwendigen Spezialdiagnostik. Deshalb gibt es an den Universitätskliniken spezielle Zentren für Seltene Erkrankungen. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten geht dort Hand in Hand mit intensiven Forschungen zur jeweiligen Erkrankung. Die speziellen Zentren bündeln eine fachliche Vielfalt und Expertise, die es so nur an Universitätskliniken gibt.“
Dr. Andreas Weins, stellvertretender Leiter des Augsburger Zentrums für seltene Erkrankungen, sagt: „Es freut mich sehr, dass wir Menschen mit einer seltenen Erkrankung am heutigen Rare Disease Day auf der ganzen Welt im wahrsten Sinne ins Licht der Aufmerksamkeit rücken und eine Stimme geben.“
Hintergrund: Was ist eine seltene Erkrankung?
In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Da es mehr als 6.000 unterschiedliche seltene Erkrankungen gibt, ist die Gesamtzahl der Betroffenen trotz der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen hoch. Allein in Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa vier Millionen Menschen mit einer seltenen Erkrankung. Seltene Erkrankungen bilden eine Gruppe von sehr unterschiedlichen und zumeist komplexen Krankheitsbildern. Die meisten dieser Erkrankungen verlaufen chronisch und gehen mit gesundheitlichen Einschränkungen beziehungsweise eingeschränkter Lebenserwartung einher. Häufig bilden Betroffene bereits im Kindesalter Symptome aus. Etwa 80 Prozent der seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt oder mitbedingt, selten sind sie heilbar.
Bildunterschrift: So hat sich Bruno selbst gemalt für die Kunstaktion zum Tag der seltenen Erkrankungen. Die rechte Hand zeigt das V für victory (englisch für Sieg) – aufgeben ist keine Option.