Start Nachrichten Kaufbeuren: Freie Wähler fordern Wohnbau-Offensive

Kaufbeuren: Freie Wähler fordern Wohnbau-Offensive

Kaufbeuren wächst stetig. Zwischenzeitlich liegt die Stadt unter den 25 kreisfreien Städten in Bayern in der Einwohnerzahl an 19. Stelle und wird demnächst die Stadt Hof in Oberfranken überholen. Auch die Zukunftsaussichten sind rosig: Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamts Bayern für 2039 liegt Kaufbeuren beim Bevölkerungswachstum nach Landshut, München und Fürth gemeinsam mit Ingolstadt auf Platz vier, deutlich vor Memmingen und Kempten. Dies ist maßgeblich auch auf den starken Zuzug aus dem Großraum München zurückzuführen. Der Kaufbeurer Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER) hat dies bereits vor zehn Jahren thematisiert, ohne beim Oberbürgermeister Gehör zu finden. Er sieht nun dringenden Handlungsbedarf: „Anstatt den absehbaren Zuzug aus dem Großraum München beharrlich zu leugnen, wäre es besser gewesen, zukunftsträchtige Projekte mutig anzugehen. Wir hätten die Riesenchance gehabt, von der Altstadt bis zum Bahnhof ein neues Stadtviertel zu entwickeln und haben stattdessen ein Forettle-Center gebaut. Wir müssen wenigstens jetzt auf den fahrenden Zug aufspringen und dürfen die sich bietenden Chancen nicht leichtfertig verspielen.“

Sein Stadtratskollege Peter Kempf (FREIE WÄHLER) sieht hierbei auch einen klaren Zusammenhang zur wirtschaftlichen Entwicklung und der Steuerkraft der Stadt: „Wir dürfen nicht immer jammern, die kreisfreie Stadt in Bayern mit den geringsten Steuereinnahmen zu sein, wir müssen aktiv etwas dagegen tun. Der Zuzug aus München findet bereits statt. Er wird zunehmen, weil sich die Arbeitswelt in den nächsten Jahren verändern wird. Durch die Zunahme von Homeoffice wird sich für viele das Pendeln nach München auf wenige Tage pro Woche reduzieren“, prognostiziert Kempf, der im Stadtrat dem Ausschuss für Finanzen und Verwaltung angehört, und als Spitzenbeamter im Kultusministerium selbst jahrelang zwischen Kaufbeuren und München gependelt ist.

Kempf hat dabei aber auch die einheimische Bevölkerung im Blick. Für sie müsse Wohnen auch weiterhin bezahlbar bleiben. „Nur mit einem erheblichen Zuwachs an Wohnungen werden wir das derzeitige Preisniveau einigermaßen stabil halten können. Wohnraumverknappung führt zu steigenden Preisen. Das kann ernsthaft niemand wollen“, stellt Kempf fest. Er kritisiert auch nachdrücklich, dass der Oberbürgermeister das Vorhaben, in der Füssener Straße am Standort der Eisenbahnerhäuschen 62 neue Wohnungen durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft zu errichten, abgeblasen hat: „Dieser Schnellschuss ist mir völlig unbegreiflich. Als wir erfahren haben, dass unser Vorhaben, 62 neue Sozialwohnungen in der Füssener Straße zu errichten, durch Denkmalschutz erschwert wird, hat sich unser Landtagsabgeordneter Bernhard Pohl erfolgreich beim Wissenschaftsminister und beim obersten Denkmalpfleger von Bayern für die Stadt eingesetzt.

Es hätte ein Konzept erstellt werden sollen, das den Interessen der Stadt, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, ebenso gerecht wird wie den Belangen des Denkmalschutzes. Ohne das Konzept abzuwarten, das vom Freistaat mit 90 Prozent bezuschusst worden wäre, hat die Stadt davon Abstand genommen. Dabei ist eines für mich klar: Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für Alle, auch für Sozialbedürftige. Die Aussage, wir wollen nicht noch mehr einkommensschwache Menschen in unserer Stadt haben, empfinde ich als deplatziert“, resümiert Peter Kempf.
Bernhard Pohl erläutert, wie dieses Ziel umgesetzt werden soll und widerspricht dabei den immer wieder geäußerten Bedenken, die Stadtfläche von Kaufbeuren reiche für eine offensive Siedlungspolitik nicht aus. Er weist daraufhin, dass Kaufbeuren mit einer Fläche von 40 Quadratkilometern 46.000 Einwohner habe, Rosenheim hingegen habe bei einer Fläche von 37 Quadratkilometern 62.000 Einwohner. Maßgeblich sei eine vernünftige gesamtstädtische Planung. Er nennt dabei folgende Faktoren: „Wir können das Ziel, attraktiven und bezahlbaren Wohnraum für viele Menschen schaffen, wenn wir auf sorgfältigen und vorausschauenden Flächenverbrauch achten. Ich sehe in unmittelbarer Nähe der Altstadt die Chance zur Schaffung neuer, attraktiver Quartiere. Gleiches gilt für Neugablonz, das ebenfalls einen stark urbanen Charakter hat. Wir sollten dabei auch das Selbstbewusstsein haben, in die Höhe zu bauen. Auch der Überbau von Parkplätzen und Verkehrsflächen muss endlich untersucht und in Angriff genommen werden. Das Bauministerium verfolgt seit langem diese Pläne, sie wären in Kaufbeuren ideal umsetzbar. Wir werden demnächst in der Stadtpolitik aktiv werden und hier stärkere Anstrengungen einfordern“, betont Pohl.

Peter Kempf sieht neben der Schaffung von Bauland für private Investoren, insbesondere auch die Genossenschaften und die Stadt selbst im Fokus: „Wir sind ja nicht auf uns alleingestellt. Der Staat gibt erhebliche Fördermittel, das Zinsniveau ist nach wie vor niedrig. Das sind doch ideale Voraussetzungen, um sich von Seiten der Stadt stärker zu engagieren.“

Beide Politiker sehen darin auch die Chance, Handel und Gastronomie in der Altstadt und in Neugablonz spürbar zu beleben. Neben der Aufgabe der Pandemiebekämpfung ist das für sie das zentrale Thema des nächsten Jahres. „Wachstumschancen erkennen statt des ständigen Lamentos, Kaufbeuren sei klein und arm, das muss das Motto für 2022 sein“, verlangt Bernhard Pohl abschließend.