Am 4. Februar ist Weltkrebstag – einst initiiert von der Union for International Cancer Control (UICC) ruft der Tag weltweit zum Nachdenken, Vorbeugen, Aufklären und Erforschen von Krebserkrankungen auf. Das Motto der dreijährigen Kampagne lautet seit 2022 „Versorgungslücken schließen“. Versorgungslücken entstehen durch die großen Ungleichheiten in der Krebsversorgung weltweit. Das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) setzt sich dafür ein, dass Krebs-patientinnen und -patienten in Bayern bestmöglich behandelt und betreut werden. Seit Kurzem bietet das BZKF die ersten bayernweit übergreifenden molekularen Tumorboards zur Auswahl der bestmöglichen Krebstherapie und Studienempfehlung für Krebspatientinnen und Krebspatienten an. Die Vernetzung der bayerischen Universitätsklinika in Augsburg, Erlangen, den zwei Standorten in München, Regensburg und Würzburg ermöglicht eine enge klinikübergreifende Zusammenarbeit und eröffnet mehr bayerischen Patientinnen und Patienten auch in der Fläche den Zugang zu den neuesten innovativen Krebstherapien und klinischen Studien. Im Rahmen der MOLTB- und ECTU-Boards des BZKF, in denen Expertinnen und Experten der unterschiedlichsten Fachrichtungen bayernweit Krebspatientinnen und Krebspatienten auf individueller Basis diskutieren, werden personalisierte Behandlungs-möglichkeiten, für den ein solches Vorgehen sinnvoll erscheint, geprüft und erörtert.
Das Molekulare Tumorboard
Im Rahmen von Molekularen Tumorboards (MOLTB) werden Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen oder seltenen Tumorerkrankungen besprochen, für die häufig keine sinnvolle Standardbehandlungsoption mehr zur Verfügung steht. In den regelmäßig stattfindenden Tumorboards treffen sich Expertinnen und Experten für individualisierte klinische Krebsbehandlung der sechs bayerischen Universitätsklinika (u.a. aus den Bereichen Onkologie, Chirurgie, Strahlentherapie, Radiologie, Pathologie, Humangenetik), um die individuelle Vorgehensweise vor der Weiterführung der Krebstherapie abzustimmen und gemein-sam die bestmögliche Therapie entlang jüngster wissenschaftlicher Erkenntnisse festzulegen. Neben der optimalen Therapieempfehlung und der Harmonisierung der Verfahren für die interdisziplinäre Diagnostik und Behandlung ist die Entwicklung von Strategien zur standortübergreifenden Datennutzung für Studienzwecke eine primäre Aufgabe des bayernweiten Molekularen Tumorboards. „Unser Weg zur internationalen Spitze heißt Exzellenz stärken – Wissen teilen“
„Die Einrichtung personalisierter Tumorboards an den sechs bayerischen Universitätsklinika und deren Vernetzung innerhalb des BZKF stellt gemeinsam mit den Einheiten der Early Clinical Trial Units sicher, dass da, wo klinisch sinnvoll, unsere Krebspatientinnen und -patienten flächendeckenden Zugang zu den neuesten, auf dem aktuellen Wissensstand der Forschung entwickelten Therapien erhalten. Insbesondere die Erkrankten mit seltenen Tumoren, jungem Alter und fehlenden Routinebehandlungsalternativen werden im Tumorboard den Fachexpertinnen und-experten aus Bayern vorgestellt. Die empfohlene Personalisierung der Therapie steigert die Wirksamkeit der Behandlung, vermeidet unnötige Nebenwirkungen und garantiert einen effizienten Einsatz von Instrumenten personalisierter Patientenbehandlung. Damit bildet die Onkologie in Bayern den Vorreiter für andere Erkrankungen. Die aufgebauten Strukturen unter wesentlicher Hilfe des BZKF gehören zur Weltspitze“, erklärt Prof. Wilko Weichert, Leiter des Instituts für Pathologie am Klinikum rechts der Isar und Leiter der BZKF-Arbeitsgruppe MOLTB.
Das Early Clinical Trial Unit-Tumorboard
Die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien basiert auf innovativer präklinischer Forschung und klinischer Prüfung. Dafür sorgen unter anderem die frühen klinischen Studienambulanzen: Die sogenannten Early Clinical Trial Units (ECTU) an den BZKF-Standorten erlauben eine sichere Anwendung der experimentellen Krebsbehandlungen. Prof. Ralf C. Bargou, Leiter der Early Clinical Trial Unit des BZKF und der ECTU des CCC Mainfranken am Universitätsklinikum Würzburg betont: „Durch die Zuweisung von Patientinnen und Patienten an einen der sechs BZKF-Standorte im bayerischen Netzwerk kann das BZKF so ein breiteres Angebot an möglichen klinischen Studien anbieten.“
Dr. Maria-Elisabeth Göbeler, Fachärztin für innere Medizin am Universitätsklinikum Würzburg und Koordinatorin der Early Clinical Trial Unit des BZKF ergänzt: „Ziel des ECTU-Netzwerkes im BZKF ist es, einen verbesserten Zugang für Patientinnen und Patienten in Bayern zu innovativer Tumortherapie zu ermöglichen und Versorgungslücken zu schließen. Seit dem Start des bayernweiten ECTU-Tumorboards im Jahr 2021 findet es in einem vierwöchentlichen Rhythmus statt, um Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen den Zugang zu frühen klinischen Studien und klinischer Innovation in Bayern zu ermöglichen.“
Die Studien in frühen klinischen Phasen der Arzneimittelentwicklung sind nur in speziellen Einrichtungen hoch spezialisierter Krankenhäuser realisierbar. Während eines Tumorboards wird der Behandlungsplan und der medizinische Zustand durch die Expertinnen und Experten der bayerischen Universitätsklinika geprüft und diskutiert. „Unser Weg zur internationalen Spitze heißt Exzellenz stärken – Wissen teilen“
Frühe klinische Studien richten sich insbesondere an Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung oder mit einer Genveränderung, die im Zusammenhang mit einer Tumorerkrankung steht. Dr. Lena Weiss, Assistenzärztin der Medizinischen Klinik und Poliklinik III des LMU Klinikums sowie Koordinatorin des BZKF ECTU-Tumorboards berichtet: „Seit der Gründung wurden bereits 37 Patientinnen und Patienten im Rahmen des ECTU-Tumorboards vorgestellt. Die Patienten waren zwischen 10 und 69 Jahre alt und haben durchschnittlich vier Vortherapien in Form von einer Systemtherapie wie Chemotherapie oder anderen zielgerichteten Therapien, Operationen und Strahlentherapie erhalten. Bei 29 Patientinnen und Patienten wurde zuvor eine detaillierte Charakterisierung des betreffenden Tumors vorgenommen, um eine Grundlage für personalisierte Therapieentscheidungen zu erhalten. Wir konnten 83 Prozent der angemeldeten Patientinnen und Patienten eine Empfehlung für eine klinische Studie aussprechen. Dass wir mit der gemeinsamen Empfehlung helfen konnten, ist für das gesamte Team sehr erfreulich und ein Erfolg für die klinische Vernetzung.“
Durch die Studienteilnahmen erhält das BZKF wichtige Ergebnisse für die Entwicklung neuer und effektiver Therapien sowie für die Optimierung von Verträglichkeit. Damit einhergehend ist die Verbesserung der Lebensqualität für Patientinnen und Patienten. Die resultierenden neuen Krebstherapien können dann Patientinnen und Patienten in Bayern flächendeckend zugänglich gemacht werden. Da die Wirkstoffe der frühen klinischen Studien aber noch weit am Anfang ihrer Entwicklung stehen, sind noch nicht alle potenziellen Nebenwirkungen bekannt, sodass die teilnehmenden Patientinnen und Patienten besonders betreut und überwacht werden müssen. Diese intensive Betreuung wird von den Studienärztinnen und -ärzten in den ECTU sichergestellt.
Basis für das Teilen des standortübergreifenden Expertenwissens
Im MOLTB-Tumorboard und im ECTU-Tumorboard werden die Krankengeschichten von onkologischen Patientinnen und Patienten über die behandelnde Universitätsklinik hinaus besprochen. Daher wurde ein eigenes Datenschutzkonzept erarbeitet, das eine sichere und datenschutzkonforme Anmeldung und Besprechung der einzelnen Krankengeschichten ermöglicht. Für die ECTU-Tumorboards wurde eine neue Plattform entwickelt, in der die bayerischen Universitätsklinika ihre Patientinnen und Patienten über ein vorgefertigtes Anmeldeformular anmelden können. Angemeldete Patientinnen und Patienten erhalten ein Pseudonym. Zugang zur zertifizierten Plattform haben ausschließlich Vertreterinnen und Vertreter der bayerischen ECTU. Die erhobenen Tumorboard-Befunde sind dann ausschließlich für die anmeldende Klinik über die Patientenplattform abrufbar. „Unser Weg zur internationalen Spitze heißt Exzellenz stärken – Wissen teilen“