Start Nachrichten Rumgeeier in der Pandemie: auf oder zu, was mach mer nu?

Rumgeeier in der Pandemie: auf oder zu, was mach mer nu?

Ein Kommentar von Christian Kruppe, Redaktionsleiter RADIO SCHWABEN

Es gab einmal eine Phase, da hat die Welt bewundernd auf Deutschland geblickt. Das war zum Start der Pandemie, als nach kurzem Zögern vieles gut und richtig gemacht wurde. Heute sieht es anders aus.

Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet
Viele Deutsche blicken nun oft neidisch auf andere Länder. Gefühlt hat die halbe Welt unser Land in Sachen Pandemiebewältigung gekonnt überholt. Die Regierungen – ja genau Mehrzahl durch den Föderalismus – haben viel dafür getan, dass der Unmut groß ist. Es sind nicht nur die unsäglichen Leugner, Querdenker und Verschwörungstheoretiker, die mit dem Zustand des Landes nicht zufrieden sind. Viele ertragen das Leid mit stoischer Ruhe, Geduld und Hoffnung. Kein Wunder, es fällt ja auch schwer, seinem „eingeschränkten“ Unmut Luft zu machen. Bei den Querdenkern und ihrem Gefolge fühlt sich der Normaldenkende nicht wirklich wohl. Mit ein bisschen Verstand möchte man einfach nicht in dieser Schublade landen. Doch auch diejenigen, die treu den Maßgaben folgen, haben meist nur wenig oder kein Verständnis, wenn man auch nur sanfte Kritik äußert. Aber nun zum eigentlichen Thema:

Welche Auflagen gelten eigentlich jetzt
Wisst ihr, was ihr gerade dürft? Sicher?? Dachte ich mir. Genau das ist das Problem. Das ewige Hin und Her der Vorgaben stiftet nicht nur Verwirrung, es nimmt Vertrauen. Vertrauen in die Kompetenz der Entscheider. Zumal am Ende immer eines Stand, das nur mal wieder neu verpackt war: Einschränkungen. Und je mehr daran herumgespielt wurde, desto verwirrender und fragwürdiger ist es geworden. Antworten bleiben sowieso aus. Bislang ist nicht bekannt, warum in einem kleinen Klamottenladen bei eingeschränkter Kundenzahl und FFP2-Maske das Risiko einer Ansteckung größer sein soll, als einem proppenvollen Supermarkt. Warum Gastro- und Beherbergungsbetriebe weiter geschlossen bleiben, obwohl gerade diese schnell und effektiv Schutzmaßnahmen ergriffen haben – und das erwiesenermaßen erfolgreich.
Das „Lass uns mal was zusperren“-Prinzip war auch bislang nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Vieles wirkte, wie in eine Lostrommel geworfen und gezogen.
Und an jeder Ecke steht ein Experte der gehört werden will – und bei den „Entscheidern“ kam immer mehr der Eindruck auf, das gerade der Fachmann gehört wird, der am ehesten synchron zu den gefühlt gewürfelten Vorgaben passt. Das „Herumgeeiere“ um den harten Lockdown ist das beste Beispiel. Drei bis vier Wochen so gut wie alles dicht machen. So wie es anderenorts durchaus erfolgreich gemacht wurde. Dazu eine Wirtschaftshilfe die ihren Namen verdient hat. Aber was ist passiert? Viel Gerede um den heißen Brei, das nur zu noch mehr Verunsicherung geführt hat. Am Ende stand dann eine „Notbremse“, die rechtlich genauso wackelig ist wie der Staatshaushalt einer Bananenrepublik. Und manchmal fühlt es sich auch bei uns nach Bananenrepublik an. Wenn zum Beispiel zwei brunftige Hirsche um den Platz an der Spitze buhlen. Da macht sogar die Pandemie scheinbar ehrfürchtig eine Pause. Nachdem die Rangfolge geklärt war, ging es wenigstens mit Tempo wieder an das alles beherrschende Thema. Mal schnell ein paar Lockerungen raushauen, weitere in Aussicht stellen und denken, der Mob ist zufrieden. Aber insgeheim das eigentliche Fahrwasser nicht verlassen: auf oder zu, was mach mer nu?

Kinder kommen zum Schluss
Ganz zu schweigen von den Schulen. Eigentlich werden Eltern und Kinder seit Beginn der Pandemie allein gelassen. Als Trostpflaster gab es das Corona-Kindergeld und gut wars. Oder auch nicht. Das soll wohl nur die leeren Versprechungen kaschieren, die gemacht wurden. „Kinder sind wichtig“ war oft zu hören. Nur nicht zu spüren. Die Schulen sind dicht, zum Teil seit dem Herbstende. Die Lehrer, Schüler und auch das Unterrichtssystem waren nie auf so etwas vorbereitet. Die Lücken im System sind, wenn überhaupt, nur zaghaft geschlossen worden. Das anfangs hoch gehaltene Thema Lüftungsanlagen ist stillschweigend unter dem Tisch gekehrt worden. Aber es sollte ja doch was bringen, denn immerhin gäbe es ja Fördergeld. Und das gibt es doch nur, wenn es Sinn macht, oder? Ein Blick auf die Daten vieler Anlagen, es dürfte wohl so sein. Da bleibt die Frage, warum wurde so gut wie nichts unternommen, um die Räumlichkeiten in den Schulen pandemiegerecht zu gestalten? Warum wird in Kauf genommen, dass ein Bildungsdefizit entsteht, das kaum mehr aufzuholen ist. Warum wird akzeptiert, dass Kinder in ein soziales Vakuum fallen, weil selbst im Freien ein Treffen faktisch nicht möglich ist? Was unterscheidet in Sachen Ansteckung ein Großraumbüro, eine Fabrikhalle oder einen vollen Supermarkt von einem Klassenzimmer?

Und weiter geht es: auf oder zu, was mach mer nu?

Bildquelle dpa picture alliance Michael Sohn