Wer in den vergangenen Monaten eine Führung im weltberühmten Schloss Neuschwanstein gebucht hat, genoss dort ungewohnten Luxus: kleine Besuchergruppen. Statt vormals 58 Personen war deren Größe im Schwangauer Märchenschloss von der bayerischen Schlösserverwaltung auf 35 Personen gesenkt worden. Grund dafür war eine umfassende Sanierung des historischen Gemäuers. Die Gruppengröße bleibt aber auch nach Abschluss der Arbeiten niedrig: Künftig darf eine Führung nicht mehr als 45 Personen zählen.
Damit will die Schlösser- und Seenverwaltung den «bestmöglichen Erhalt des Gebäudes sicherstellen», teilt sie mit. 20 Millionen Euro investiere der Freistaat derzeit für die umfängliche Restaurierung der Prunkräume, die im kommenden Herbst abgeschlossen sein soll. «Die Maßnahme umfasst alle für die Besucherinnen und Besucher zugänglichen Schau-, Neben- und Funktionsräume – darunter der berühmte Sängersaal und der Thronsaal sowie die ehemalige Königswohnung im Torbau», berichtet eine Sprecherin der Behörde.
Dass die Besucherzahl im Märchenschloss nach Ende der Arbeiten bei kleineren Gruppengrößen wieder um 650 000 Besucher auf ihr altes Hoch von rund 1,5 Millionen Personen pro Jahr klettert, ist unwahrscheinlich. Auch da laut Schlösserverwaltung nicht geplant ist, die Anzahl der Führungen massiv zu erhöhen. Genauer einschätzen möchte die Behörde die zu erwartende Besucherzahl für das Jahr 2024 nicht.
Negative Auswirkungen seien für die Gemeinde Schwangau aber nicht zu befürchten, ist sich Bürgermeister Stefan Rinke (CSU) sicher. Zwar drehe sich im Ortsteil Hohenschwangau viel um die Königsschlösser, «gesehen auf die ganze Gemeinde kommen die Feriengäste aber wegen unserer einzigartigen Landschaft und nicht wegen des Schlosses zu uns».
Belegt haben das für ihn die Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Neuschwanstein blieb zwar das meistbesuchte Schloss im Freistaat, verzeichnete wegen der Renovierungen aber nur rund 850 000 Besucher. Die Beherbergungsbetriebe verbuchten dennoch ein «ein überdurchschnittlich gutes Jahr», so das Gemeindeoberhaupt. Gerade im Bereich Infrastruktur seien weniger Tagesurlauber eine Entlastung, sagt Rinke.
So sieht es auch die Hotellerie. «Es gab keine Einbrüche bei den Übernachtungszahlen», sagt Richard Müller, der in unmittelbarer Nähe zum Schloss des Bayern-Königs Ludwig II. das Hotel Müller betreibt. Er hält die Beschränkung der Besucherzahlen aus konservatorischen Gründen langfristig ebenfalls für begrüßenswert. Müller verweist auf die hohe Belastung des Gemäuers durch Ausdünstungen und das Gewicht so vieler Menschen.
Vorsichtig betrachtet Müller, zu dessen Hotel auch ein Souvenirshop und eine Boutique gehören, die Veränderung aus Sicht des Einzelhandels. Mit massiven Einbrüchen rechne er hier zwar nicht. Dass weniger Tagesgäste im Schloss spurlos an der gesamten Branche im Ortsteil vorüberziehen, hält er aber ebenfalls für unwahrscheinlich. «Es ist wie immer: Jeder Nachteil hat einen Vorteil.»