In einem offenen Brief hat sich die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller an den neuen bayerischen Verkehrsminister Christian Bernreiter gewandt. Darin forderte die Unterstützung für einen besseren Bahnausbau im Allgäu ein. Hier das komplette Schreiben:
Sehr geehrter Herr Staatsminister Bernreiter,
als langjähriger Landrat und Präsident des bayerischen Landkreistags bringen Sie viel Wissen über die Strukturen im ländlichen Raum und die für die Regionen wichtigen Themen mit. Eines davon ist sicherlich die Elektrifizierung der Bahnstrecken in Bayern. Als Oberallgäuer Landrätin liegt mir naturgemäß die Elektrifizierung der Allgäuer Bahnstrecken sowie die Eröffnung neuer Bahnhalte sehr am Herzen. Für das Oberallgäu sowie das gesamte Allgäu als Tourismusregion spielt die Verkehrsanbindung durch die Bahn eine bedeutende Rolle. Der weitere Ausbau der Schienenverbindungen, der Bahninfrastruktur sowie die Antriebswende ist bedeutend, um künftig als klimafreundlicher Wohn-, Wirtschafts- und Tourismusstandort weiter erfolgreich sein zu können. Ministerpräsident Söder hat in seiner Regierungserklärung vom 21. Juli 2021 vor dem Bayerischen Landtag die Umstellung des SPNV auf klimafreundliche Antriebe verkündet. Diese Entscheidung ist zukunftsweisend für den Freistaat Bayern.
Allerdings bildet das Allgäu nach wie vor eines der größten „Diesellöcher“ im bundesdeutschen Eisenbahnnetz. Die Elektrifizierung allein der Strecke München-Lindau hat die Situation abseits der Hauptlinie noch verschlechtert, da häufig von elektrisch betriebenen Zügen auf nur mit Dieselantrieb ausgestattete Verkehrsmittel umgestiegen werden muss. In Zukunft wird sich das noch verstärken, denn es wird immer stärker vermieden, dass dieselbetriebene Züge auf elektrifizierten Strecken fahren.
Ich habe daher im vergangenen Jahr den Ministerpräsidenten sowie die Verkehrsministerin darum gebeten, unsere Region bei der anstehenden Konzeptionierung der bayerischen Staatsregierung zum Abschied des Diesels besonders zu berücksichtigen, damit wenigstens nach der im Jahr 2029 anstehenden Neuvergabe der Verbindungen auch im Allgäu der „Abschied vom Diesel“ gefeiert werden kann und habe der bereits früher vorgebrachten Forderung nach klimaneutralen Antriebsformen auch auf Basis einer Resolution des Oberallgäuer Kreistags Nachdruck verliehen.
Der Oberallgäuer Kreistag hat sich mit dem Thema Bahn-Elektrifizierung bereits mehrfach befasst. Angesichts der leistungsfähigen Fahrdynamik ist der Einsatz von elektrifizierten Zügen in der Oberallgäuer Topografie die einzige Alternative zu den derzeit eingesetzten Neigetechnikzügen, vor allem wenn bei mehr gewünschten Haltestellen die Fahrzeiten nicht verlängert werden sollen.
In seiner Sitzung am 23. Juli 2021 hat der Kreistag erneut eine Resolution zu diesem Thema beschlossen. Aufgrund der eben geschilderten Situation hat der Kreistag die Bayerische Staatsregierung aufgefordert, die bereits beschlossene Planung einer Elektrifizierung der Strecke Ulm-Kempten auf die Strecken Kempten-Oberstdorf sowie Buchloe-Biessenhofen auszudehnen. Angesichts der langen Planungsvorläufe ist dem Kreistag durchaus bewusst, dass eine Elektrifizierung des gesamten Eisenbahnnetzes im Allgäu kurzfristig nicht realistisch ist. Mit den genannten Verlängerungen wäre nach heutigem Stand der Technik aber der Einsatz von elektrisch betriebenen Fahrzeugen möglich, die die verbleibenden Strecken ohne Fahrdraht mithilfe von Batterien überbrücken können.
Ihre Vorgängerin hat in ihrem Antwortschreiben, in dem sie die komplette Elektrifizierung aller Bahnstrecken im Allgäu sowie emissionsfreie Nachfolgelösungen bei künftigen Verkehrserträgen als Ziel benannt hat, eine zeitnahe Untersuchung angekündigt, ob Akku-Hybrid-Züge die fahrdynamischen Anforderungen auf den Allgäuer Strecken erfüllen können und wo genau dafür Abschnitte mit Oberleitung zum Nachladen der Akkus erforderlich wären. Wir sehen in der Ausweitung der Elektrifizierung von Allgäuer Strecken eine wichtige Weichenstellung für die Region und bitten Sie hier um Ihre tatkräftige Unterstützung!
In engem Zusammenhang damit steht der Einsatz des Landkreises Oberallgäu zur Einrichtung neuer Bahnhaltepunkte für wichtige Verbesserungen bei der Anbindung zum Schienen-verkehr. In einer Willensbekundung des Landkreises gemeinsam mit den betroffenen Kommunen haben wir die BEG auf Basis von Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 2019 darum gebeten, vier neue Bahnhalte im Oberallgäu zu prüfen und wenn möglich einzurichten.
Die BEG hat uns daraufhin mitgeteilt, dass mangels Fahrzeitreserven kurz- und mittelfristig leider keine Realisierungsperspektive für die vorgeschlagenen neuen Stationen aufgezeigt werden kann.
Vor diesem Hintergrund gewinnt eine möglichst schnelle Elektrifizierung zusätzlicher Strecken weiter von Bedeutung. Sie ist aufgrund besserer Fahrdynamik und der Netzkompatibilität ein wichtiger Schritt für die Einrichtung weiterer Bahnhalte.
Sehr geehrter Herr Staatsminister Bernreiter,
mir ist bewusst, dass der Bund für die Finanzierung der bundeseigenen Schieneninfrastruktur — auch für Elektrifizierungen – zuständig ist. Die Staatsregierung kann hier jedoch ihren Einfluss geltend machen und hat auch in der Vergangenheit immer wieder umfangreiche Elektrifizierungsprojekte beim Bund eingefordert.
Wir bitten Sie daher, sich für unser Anliegen weiterer Elektrifizierungen der Allgäuer Strecken in der Staatsregierung im Rahmen des geplanten Abschieds vom Diesel sowie gegenüber dem Bund einzusetzen.
Eine Kopie dieses Schreibens werden wir an die BEG übermitteln. (Bild: FW Bayern/ Susanne Moelle)