Psychotherapie ist ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung. Doch in den meisten Regionen in Deutschland reicht die Anzahl der Therapieplätze bei Weitem nicht aus, um die bestehenden Bedarfe zu decken – so auch im Landkreis Augsburg. Dies hat zur Folge, dass Patientinnen und Patienten häufig mehrere Monate darauf warten müssen, bis sie mit ihrer Therapie beginnen können. Am schlimmsten steht es um die Versorgung der Kinder und Jugendlichen. Sie müssen durchschnittlich sogar ein halbes Jahr Wartezeit in Kauf nehmen. Ein Zustand, den Landrat Martin Sailer nicht weiter stillschweigend hinnehmen möchte: „Aberwitzigerweise gilt der Landkreis Augsburg nach der aktuellen Bedarfsplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) trotz der schier endlosen Wartezeiten auf einen Therapieplatz mit einem Versorgungsgrad von 113,65 Prozent als überversorgt“, schildert der Landrat fassungslos. Damit dürfen sich in der Region keine weiteren Therapeutinnen und Therapeuten mit Kassenzulassung niederlassen, selbst wenn sie es wollten.
Teil des Problems: Landkreis gilt als durch die Stadt Augsburg stark mitversorgte Region
Einen Teil des Problems sieht der Landrat in der Bedarfsplanungsrichtlinie, in der davon ausgegangen wird, dass sich Patientinnen und Patienten aus dem Landkreis in der Stadt Augsburg behandeln lassen. „Sicherlich ist das in einem gewissen Maß zwar der Fall, doch diese Sichtweise benachteiligt insbesondere Personen mit eingeschränkter Mobilität wie beispielsweise unsere Seniorinnen und Senioren, Kinder und Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, die nicht ohne Weiteres von A nach B kommen können“, so Sailer. Aus seiner Sicht wäre es deshalb wichtig, dass der Landkreis Augsburg nicht mehr weiter als eine „durch die Stadt Augsburg stark mitversorgte Region“ betrachtet wird. „Ich denke nicht, dass dies der aktuellen Versorgungsrealität entspricht“, ist sich der Landrat sicher.
Novellierung der Bedarfsplanungsrichtlinie ist notwendig
Obwohl die Probleme im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung den Regierungsparteien bekannt sind und in der Vergangenheit auch im Koalitionsvertrag thematisiert wurden, werden insbesondere ländliche und strukturschwache Gebiete bislang zu wenig in den Fokus genommen. „Den Plan des Bundesgesundheitsministers, Prof. Dr. Karl Lauterbach, der bestehenden Unterversorgung mit Sonderbedarfszulassungen bzw. -ermächtigungen zu begegnen, halten wir im Landkreis Augsburg für absolut nicht ausreichend“, sind sich Landrat Martin Sailer, die Leiterin des Staatlichen Gesundheitsamtes für den Landkreis Augsburg, Dr. Susanne Rost, und die Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregionplus Landkreis Augsburg, Marisa Metzger, einig. Sie haben sich deshalb in einem Schreiben mit einer Forderung an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, Dr. Kirsten Gappert-Gonther, MdB, und Dr. Klaus Schulenburg, Direktor beim Bayerischen Landkreistag, gewandt: Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) muss endlich damit beauftragt werden, die Bedarfsplanungsrichtlinie entsprechend zu novellieren!