Verwirrung um das Augsburger Klimacamp. Nachdem gestern am frühen Nachmittag von Seiten der Aktivisten mitgeteilt worden ist, dass das Camp am Wochenende von Seiten des Ordnungsdienstes der Stadt beendet wurde, revidierte das Ordnungsamt am frühen Abend diese Mitteilung. Bei einer Kontrolle sei lediglich der fehlende Mindestabstand der Anwesenden beanstandet worden. Da sich die Personen weigerten die Personalien anzugeben, wurde die Polizei hinzugezogen. Von einer Beendung sei keine Rede gewesen, teilte Ordnungsreferent Frank Pintsch dazu mit. (Bild: Nina Königs)
Pressemitteilung Klimacmp:
Ordnungsamt erklärt Klimacamp-Versammlung für beendet
In der Nacht von Samstag (18.12.) auf Sonntag (19.12.) erklärte das Ordnungsamt Augsburg die Versammlung am Moritzplatz für beendet. Bei einer Kontrolle des Klimacamps durch den Ordnungsdienst am 18.12.2021 kurz vor Mitternacht wurden im Camp zwei Versammlungsteilnehmer*innen angetroffen. Die Versammlungsleiterin war zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend, da sie sich auf einem Toilettengang außerhalb des Camps befand. Der Ordnungsdienst erklärte daraufhin die Versammlung am 536sten Tag des Klimacamps für beendet. Die Versammlung geht jedoch im Angesicht dessen, dass die Klimacamper*innen die Auflösung als rechtswidrig ansehen, weiter vonstatten.
Die Aktivist*innen des Klimacamps sind bestürzt, dass Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes gravierende Eingriffe in deren Grundrechte bei grober Unkenntnis der geltenden Rechtslage vornehmen wollten. Versammlungen dürfen nur dann aufgelöst werden, wenn durch sie „die öffentliche Sicherheit oder Ordnung […] unmittelbar gefährdet ist“ (BayVersG § 15). Das ist beim Augsburger Klimacamp seit Tag 1 nicht der Fall.
Stefan Sohnle (49), Klimacamper, dazu: „Wer amtliche Maßnahmen einführen und durchsetzen will, muss die Rechtsgrundlagen kennen und beachten. Augsburg ist nicht der wilde Westen, in dem Sheriffs nach Gutdünken ihren Willen durchsetzen können.“
Die Führungsebene des Ordnungsamtes und der Augsburger Ordnungsreferent Frank Pintsch sind laut den Berichten der Augsburger Klimacamper:innen bereits in der Vergangenheit durch den Versuch aufgefallen, Maßnahmen ohne Rechtsgrundlage durchzusetzen. Dazu zählt, Bundesstraßen zu versammlungsfreien Orten zu erklären (damit holte sich die Stadt jedoch vor dem Verwaltungsgericht und dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof eine Schlappe).
Auch die Einschränkung des Grundrechts auf körperliche Bewegungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes gehört dazu. Dieser Versuch erfolgte sowohl im Rahmen einer amtlichen Maßnahme vor dem Klimacamp durch Ordnungsamt-Mitarbeiter*innen als auch im Sommer durch die lückenlosen Taschenkontrollen im Rahmen des Glasflaschenverbots in der Maximilianstraße durch private Sicherheitsdienst-Mitarbeiter*innen ohne hoheitliche Befugnisse.
Die Klimacamper*innen betonen, dass der Ordnungsdienst immer wieder offensiv bis aggressiv auftritt und die Klimacamper*innen dabei auch in Diskussionen über den Sinn und Nutzen der Versammlung verwickelt.
Die Klimacamper*innen heben hervor, dass ihr Engagement und die Aufrechterhaltung der Versammlung weiterhin notwendig sind. In Augsburg werden Ende 2021 zum zweiten Mal in diesem Jahr die Fahrpreise für den öffentlichen Personennahverkehr erhöht. Die Mobilitätswende in Augsburg wird nach Ansicht der Aktivist*innen nur dann gelingen, wenn die Alternativen zum motorisierten Individualverkehr verbessert und vergünstigt werden. Vor allem für ärmere Augsburger*innen stellen Bus und Bahn neben Fahrrad und zu Fuß gehen oft das zentrale Fortbewegungsmittel dar.
Die Mitarbeiter:innen des Ordnungsdienstes im Außendienst sind in der Vergangenheit bereits durch nicht zutreffende Aussagen aufgefallen, zum Beispiel in der Frage, ob Fahrräder mit Beklebungen im öffentlichen Raum abgestellt werden dürfen. Es kam sogar zu einer Sicherstellung des Fahrrads eines Augsburger Bürgers, das irrtümlich dem Klimacamp zugerechnet wurde.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag ist im Rahmen der für beendet erklärten Versammlung vor allem der Innenstadt-Nachtmanager des Ordnungsdienstes mit unprofessionell wirkendem Auftreten in Erscheinung getreten.
Während der Corona-bedingten Sperrung der Maximilianstraße für motorisierte Fahrzeuge hat der von der Stadt beauftragte private Sicherheitsdienst systematisch unberechtigt in den laufenden Verkehr
eingegriffen, um Fahrzeuglenker:innen zu belehren. Stadtdirektor Frank Pintsch musste diese Maßnahmen aufgrund von Bürger:innen-Hinweisen zurückziehen, da eine Rechtsgrundlage dafür nicht gegeben ist.
Pressemitteilung Stadt Augsburg
Die Behauptung des Klimacamps, wonach der Ordnungsdienst der Stadt Augsburg die Versammlung für beendet erklärt habe, ist falsch. Richtig ist, dass das Klimacamp als Versammlung – wie alle anderen Versammlungen auch – Auflagen sowie den geltenden Corona-Bestimmungen unterliegt. „Diese Auflagen müssen vom Ordnungsdienst der Stadt routinemäßig und regelmäßig kontrolliert werden. Sich dagegen zu verwahren und Widerstand zu leisten, ist auf vor dem Hintergrund der jetzigen Infektionslage falsch“, so Ordnungsreferent Frank Pintsch.
Frank Pintsch: „Stadt weist Fehlbehauptungen zurück“
Die Stadt, so Pintsch, achte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg in erster Instanz. „Soweit das Camp Mitarbeitende der Stadt Augsburg persönlich angreift, weist die Stadt diese Fehlbehauptungen entschieden zurück. Die Stadt überwacht pflichtgemäß alle Versammlungen auf Einhaltung der Corona-Bestimmungen und achtet auf Gleichbehandlung. Hier kann es keine Sonderbehandlung geben.“
Wie die Kontrolle des Ordnungsdienstes von Samstag auf Sonntag zeigte, wurde der gebotene Mindestabstand zwischen anwesenden Personen nicht eingehalten. Zum Zeitpunkt der Kontrolle war auch keine Versammlungsleitung vor Ort. Aufgrund der Verweigerungshaltung bei der Feststellung der Personalien wurde die Polizei hinzugerufen. Es wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eröffnet.