Im Alter von 94 Jahren ist Rabbiner Dr. Henry G. Brandt, Ehrenbürger der Stadt Augsburg, am Montag, 7. Februar, verstorben. Damit verliert die Stadt eine große Persönlichkeit und die Nachkriegswelt einen der letzten Zeitzeugen des NS-Regimes.
Oberbürgermeisterin Eva Weber reagierte mit großer Betroffenheit: „Mein Herz ist schwer. Heute Nacht ist unser Ehrenbürger Rabbiner Dr. Henry Brandt verstorben. Ich persönlich und die Stadt Augsburg werden ihm ein dankbares und ehrendes Andenken bewahren. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Weggefährtinnen und Weggefährten.“
Trauerbeflaggung und Kondolenzlisten zu Ehren Brandts
In Gedenken an den Verstorbenen werden die Stadtflaggen am Mittwoch, 9. Februar, auf dem Rathausplatz auf Halbmast wehen. Zudem liegen ab Donnerstag, 10. Februar, bis Sonntag, 20. Februar, im Unteren Fletz des Rathauses Kondolenzlisten für Trauernde aus. Das Rathaus ist täglich, auch am Wochenende, von 10 bis 18 Uhr zugänglich.
Brandts Wirken in Augsburg
Henry G. Brandt wurde am 25. September 1927 als Heinz Georg Brandt in München geboren. 1939 emigrierte er mit seiner Familie nach Tel Aviv. Nach dem zweiten Weltkrieg führte ihn sein Studium nach Europa zurück. Er war Rabbiner in Großbritannien und der Schweiz, bevor er 1983 auch nach Deutschland zurückkehrte. Von 1985 bis 2016 war er neben seiner Rabbinertätigkeit jüdischer Vorsitzender des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Seit ihrer Gründung 2004 bis 2019 leitete er zudem die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschland.
Brandt übernahm 2004 das Rabbinat der jüdischen Gemeinde in Augsburg und leitete diese bis März 2019. Dabei hat er sich insbesondere um den jüdisch-christlichen und allgemein um den interkonfessionellen und interreligiösen Dialog verdient gemacht. Damit hat er einen wesentlichen Beitrag für den religiösen Frieden in der Augsburger Stadtgesellschaft geleistet. Zudem hat er wesentlich dazu beigetragen, dass das jüdische Kulturmuseum Augsburg Schwaben ein Ort der Begegnung für Nicht-Juden und Juden jeden Alters geworden ist. Seine Verbundenheit zur Friedensstadt Augsburg zeigte sich auch in seinem Lehrauftrag an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg.
„Ich habe ihn als wortgewaltigen Versöhner kennengelernt, als jemanden, der (interreligiöse) Brücken gebaut hat, als einen Menschen, der mich immer wieder mit seiner Person und seinen Gedanken fasziniert hat“, so OB Weber.
Ehrenbürger der Stadt Augsburg seit 2015
2015 wurde Brandt mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Augsburg auszeichnet. Die Auszeichnung war Dank für sein Lebenswerk und Ermutigung an alle, seinem Beispiel zu folgen und sein Anliegen weiterzutragen. In der Begründung für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde hieß es: ‚Henry Brandt steht für praktische Lösungen im täglichen Leben und ist damit Vorbild. Vergeben oder Vergessen ist seine Sache nicht, aber Brandt verkörpert glaubhaft und zuverlässig die zur Versöhnung ausgestreckte Hand. Er hat die Synagoge für die Stadt geöffnet. Er machte und macht das Judentum verständlich und in Augsburg zu etwas Selbstverständlichem.‘