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Augsburg: Aktivisten besetzen Bäume

Klimacamper folgen Hilferuf einer Anwohnerin und protestieren mit einer Notbesetzung für einen Erhalt der Bäume auf dem Reese-Areal

  • Sanierung nach Studien klimafreundlicher als Abriss und Neubau
  • Besondere kulturelle Bedeutung des Altbestands
  •  Nach Überzeugung der Aktivisten sollte dringend bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, und zwar primär durch Nutzung von Leerstand und Umwidmung von Bestandsgebäuden

„Leerstand verwenden, Rodungswahn beenden! Bestandsbauten sanieren, Altbaumbestand integrieren“. Unter diesem Motto besetzten am heutigen Montagmorgen Aktivisten des Augsburger Klimacamps die fällungsbedrohten Bäume auf dem Reese-Areal, nachdem sie am Sonntagmorgen durch eine Anwohnerin auf die bevorstehende Fällungen aufmerksam gemacht wurden. Wie die Augsburger Allgemeine am Freitag berichtete , hätten dort heute die Fällarbeiten beginnen sollen, um den Weg für den umstrittenen Abriss der letzten verbliebenen Kasernengebäude an der Sommestraße freizumachen. Nun konnten die Bäume vorerst gerettet werden. Wie sich die Situation in den nächsten Tagen entwickelt, ist derzeit nicht absehbar. Aufgrund der Kürze der Vorbereitungszeit baten die Augsburger Klimacamper auch erfahrene Kletteraktivisten aus anderen Städten zur Hilfe.

FÄLLUNGEN ZWAR MIT GRÜNAMT, NICHT JEDOCH MIT KLIMACAMP ABGESTIMMT
Nach dem Vorbild einer früheren Baumschutzaktion in Gersthofen errichteten die Klimacamper teils provisorische Baumhäuser, teils besetzten sie die Bäume mit einfachen Hängematten. Mit einem Banner, dass das zentrale Aktionsmotto ziert, machen sie darauf aufmerksam, dass neu zu schaffender Wohnraum nicht primär durch Neubau, sondern durch Nutzung der zahlreichen leerstehenden Gebäude in der Innenstadt und durch Umwidmung existierender Flächen bereitgestellt werden kann, und dass dafür in Zeiten der Klimakrise erst recht kein alter Baumbestand abgeholzt werden dürfe. Eine Studie des renommierten Wuppertal-Instituts bestätigt ein Argument der Klimaschützer: Sanierung ist klimafreundlicher als Neubau. Die Aktivisten stellen sich dem „Neubau-Wahnsinn“, wie sie ihn nennen, sowie der „Phantasie von CSU-Baureferent Gerd Merkle“ entgegen, dass gesunde, alte und ökologisch wertvolle Bäume lediglich banale Designelemente seien.

Umstrittenes Neubauprojekt
Auf dem Gebiet der ehemaligen Reese-Kaserne möchte die Wohnbaugruppe die letzten verbliebenen Gebäude abreißen und an ihrer Stelle später neue bauen. „Bislang hat die WBG nie nachvollziehbar erklärt, warum überhaupt eine Fällung der Bäume erforderlich sei“, so Ingo Blechschmidt (34) vom Klimacamp. Die von der WBG in Aussicht gestellten Neupflanzungsexperimente überzeugen Blechschmidt nicht: Falls solche Experimente gedeihen, dauere es 80 bis 100 Jahre, bis die anfangs winzigen Setzlinge dieselben Funktionen übernehmen können wie die wertvollen Bestandsbäume. Wie das Handelsblatt berichtete [4], bestätigt, was die Schutzfunktion der CO₂-Bindung angeht, eine vielzitierte Studie der Universität Hamburg diese Aussage. Blechschmidt betont, dass das Klimacamp keineswegs pauschal gegen alle geplanten Baumfällungen vorgehe. Die Fällungen längs der Bahntrasse etwa ließ das Klimacamp zu.

Der bereits abgerissene Gebäudebestand wurde umfangreich kulturell genutzt; gegen den Abriss stemmten sich große Teile der Kulturszene und mehrere Bürgerbewegungen. „Leider blieb ein Kurswechsel der Stadt seit mehreren Jahren aus. Wir nutzen die letzte Chance, den Bäumen und dem ehemaligen Kulturort die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdienen“, so Blechschmidt. „Gewissermaßen ein Aufbäumen der Verdammten.“

Umstrittene Äußerungen von WBG-Geschäftsführer Mark Hoppe
WBG-Geschäftsführer Mark Hoppe steht im Klimacamp nicht nur wegen seiner Abrisspläne in der Kritik. Wie ein Mitglied der Parents for Future Augsburg auch bei der Bürgerversammlung im Oktober 2021 ausführte, legt die WBG Mietern diverse Hürden in den Weg, wenn diese auf eigene Kosten Balkonsolarkraftwerke installieren möchten. Aus Sicht der Aktivisten sei das in Zeiten der Klimakrise und steigender Energiekosten unverständlich. Vielmehr sollte die WBG ihre Mieter zur Installation solcher Solarmodule ermuntern und sie darin auch finanziell unterstützen.

Bild: Klimacamp Augsburg