Start Nachrichten Allgäu: Steigende Kundenzahlen, weniger Warenspenden, die stetige Suche nach Helferinnen und Helfern

Allgäu: Steigende Kundenzahlen, weniger Warenspenden, die stetige Suche nach Helferinnen und Helfern

Tafelkoordinator Markus Wille vom BRK Oberallgäu beschreibt anlässlich der Aktionswoche „Deutschland rettet Lebensmittel“ die aktuelle Lage bei den Tafelläden Kempten

Vom 29. September (dem Tag der Tafeln in Deutschland) bis zum 6. Oktober fand bundesweit die 4. Aktionswoche „Deutschland rettet Lebensmittel“ statt. Ausgerufen wurde diese vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Eine wichtige Stellung unter den Lebensmittelrettern nehmen seit Jahrzehnten die Tafeln ein. Auch in Kempten gibt es drei Tafelläden. Zwei davon werden vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) im Kreisverband Oberallgäu betrieben, eine weitere von der Caritas. BRK-Tafelkoordinator ist Markus Wille. Er beschreibt die aktuelle Situation und die stetig wachsenden Herausforderungen, die sich bei der Versorgung bedürftiger Menschen in der Region auftun.

Die Tafelläden in Kempten befinden sich in der Memminger Straße 114, in der Magnusstraße 16 in St. Mang sowie in der Landwehrstraße 11, nahe der Basilika St. Lorenz. Hier können Menschen, die über eine entsprechende Berechtigung verfügen, gespendete Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs zum günstigen Preis erwerben. Die Tafel- Einkaufsberechtigung kann in jeder Tafel-Ausgabestelle, den Kleidermärkten des BRK sowie bei der Caritas und Diakonie beantragt werden – jede dieser Karten wird gegenseitig anerkannt. „Wir versorgen derzeit zirka 450 Menschen pro Tag mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfes“, berichtet Markus Wille, Tafelkoordinator beim BRK im Kreisverband Oberallgäu. „Im Vergleich zu 2022 hatten wir in diesem Jahr eine Kundensteigerung von gut zehn Prozent zu verzeichnen. Unsere Kunden sind zu 40 Prozent finanziell schlecht gestellte Rentner, 30 Prozent sind geflüchtete Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern und 30 Prozent junge Familien mit Kindern bzw. Alleinerziehende. Sie alle können sich selbst im Discounter die Lebensmittel nicht mehr leisten.“ Rund 100 Familien, die aus der Ukraine geflüchtet sind, werden jeden Samstag separat über das Tafel-Lager in der Haubenschloßstraße versorgt. „Unsere Erfahrung damit ist sehr gut. Wir haben hier ein Team aus Menschen, die Ukrainisch und Russisch sprechen.“

Warenspenden der Discounter gehen zurück

Pro Jahr verarbeitet die Tafel Kempten ca. 500 Tonnen Lebensmittel, Getränke und Hygieneartikel. Doch das Spendenaufkommen ist im Umbruch, wie Markus Wille besorgt feststellt. „Wir merken bei den Sachspenden, dass Discounter bereits beginnen, Obst und Gemüse selbst günstiger zu verkaufen. Überdies werden Molkerei- und Kühlprodukte aus versicherungsrechtlichen Gründen mitunter lieber entsorgt als gespendet. Diese Entscheidungen werden oft in den Firmenzentralen getroffen und gelten dann für alle Tafeln in ganz Deutschland, was bedauerlich ist. Denn wir von der Tafel Kempten verfügen seit diesem Jahr über zwei Kühltransporter, mit denen wir täglich die Waren einsammeln und dabei eine durchgehende Kühlkette gewährleisten können. Diese konnten wir mit Unterstützung vieler Firmen, Service-Clubs, Banken und großzügiger Privatpersonen anschaffen, wofür wir sehr dankbar sind. Aber nicht jede Tafel oder ähnliche Einrichtung hat solche Fahrzeuge.“

Ohne Geldspenden könnten die Unkosten nicht gedeckt werden

Die Warenspenden kämen in den seltensten Fällen von alleine, erklärt er. „Ich als Tafel-Koordinator bin täglich am Telefon, um genügend Spenden aufzutreiben, Kontakte zu pflegen und mit Speditionen, Lebensmittelproduzenten sowie anderen Tafeln im Umkreis abzuklären, was wir abholen oder liefern lassen können. Um den Bedarf zu decken und unsere Tafel-Kunden jeden Tag mit dem Nötigsten zu versorgen, müssen wir bereit sein, immer weitere Strecken in Kauf zu nehmen oder auch höhere Transportkosten durch Spediteure zu bezahlen, um Ware, die irgendwo verfügbar ist, zu uns zu bringen. Nur dank Geldspenden können wir die Unkosten wie z.B. Speditions- und Spritkosten decken und die tägliche Ausgabe gewährleisten.“

24.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit

Um die Warenabholung und Auslieferung, die Warensortierung und Kommissionierung sowie die klassische Lebensmittelausgabe und Hauslieferungen abzuwickeln, sind in Kempten insgesamt 120 Ehrenamtliche aktiv. „Sie leisten dabei im Jahr rund 24.000 Stunden Arbeit, für die sie ihre persönliche Freizeit opfern“, betont Markus Wille. „Was wir
in letzter Zeit merken, ist, dass Ehrenamtliche jedoch nicht mehr jahrelang am Stück zur Verfügung stehen. Viele Menschen wollen gerne helfen, aber vielleicht nur ein halbes Jahr lang, dann möchten sie wieder etwas anderes machen, etwa den Ruhestand genießen und reisen. Auch unterschätzen manche Helferinnen und Helfer, wie anstrengend das Sortieren großer Mengen an Obst und Gemüse ist. Wir sind jedenfalls ständig auf der Suche nach weiteren Ehrenamtlichen, die unser Team verstärken möchten.“ (Wer Interesse hat, darf sich gerne direkt mit Markus Wille in Verbindung setzen, Telefon: 08 31/5 22 92-41, Mail: wille@kvoa.brk.de, Anm.d.Red.)

Eine erfreuliche Kooperation bestehe mit der Wärmestube des BRK in Kempten, die sich in direkter Nachbarschaft des Tafel-Lagers befindet und in der täglich zwischen 60 und 100 Essen frisch gekocht werden, ergänzt er. „Wir konnten unsere Zusammenarbeit in diesem Jahr weiter perfektionieren. Gerade Lebensmittel in Großverpackungen, die wir nicht in haushaltsübliche Mengen teilen können, finden hier sehr gut Verwendung, ebenso wie Obst und Gemüse, das nicht für die Tafelausgabe geeignet, aber einwandfrei ist. Das ist eine echte Win-Win-Situation für alle Beteiligten.“

Bild: BRK KV Oberallgäu / Markus Wille