Schwäbische Landräte schlagen Alarm und üben Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung
„Wir wissen nicht, wo wir die Geflüchteten noch unterbringen sollen, unsere Kapazitäten sind erschöpft“ – so lautete der einhellige Tenor der schwäbischen Landrätinnen und Landräte während ihrer Arbeitstagung im Landkreis Neu-Ulm.
Schon vor Monaten hatten die schwäbischen Landkreisvertreter gewarnt, dass sie vor Ort auf eine Notlage zusteuern, wenn sich nichts an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ändert. Die Flüchtlingszahlen steigen jedoch weiterhin massiv an. Laut der schwäbischen Regierungspräsidentin, Barbara Schretter, liegen sie aktuell bei 30 bis 40 Prozent über den Zugangszahlen des Vorjahres. Die dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten sind in allen schwäbischen Landkreisen nahezu erschöpft, weshalb immer mehr Landkreise auf Turnhallen, Messehallen, Zeltplätze oder sogar auf eine Traglufthalle zurückgreifen müssen. „Diese Formen der Unterbringung halten wir jedoch für unangemessen. Viele Menschen müssen in den Hallen auf engstem Raum über längere Zeit zusammenleben. Dies begünstigt die schnelle Ausbreitung von Krankheiten und Konflikten zwischen verschiedenen Nationalitäten. Dies gefährdet sowohl die Geflüchteten in den Unterkünften, als auch die Mitarbeiter vor Ort“, betont der Vorsitzende des Bezirksverbands Schwaben, der Lindauer Landrat Elmar Stegmann. Er fügt hinzu: „Erschwerend kommt hinzu, dass uns kaum noch privater Wohnraum angeboten wird. In den einzelnen Landkreisen spüren wir deutlich, wie die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Aufnahme von Geflüchteten sinkt.“ Eine weitere Problematik, die dazu beiträgt, dass viele Unterkünfte so voll sind, sind sogenannte „Fehlbeleger“. Diese Personen haben bereits einen Aufenthaltstitel erhalten und sind dazu berechtigt, sich eine eigene Wohnung zu nehmen. Aufgrund des sehr angespannten Wohnungsmarktes in ganz Schwaben gestaltet sich diese Suche jedoch als äußerst schwierig. Viele finden keine Wohnung und belegen somit in den Unterkünften die Plätze, die dringend für die Aufnahme neu zugewiesener Flüchtlinge benötigt werden.
Die schwäbischen Landräte fühlen sich von der Bundesregierung mit den Problematiken vor Ort vollkommen alleine gelassen und fordern deshalb eine Kursänderung in der Flüchtlingspolitik: „Die Zuwanderung muss bereits an den europäischen Außengrenzen kontrolliert werden. Zudem plädieren wir für die zeitnahe Rückführung der Menschen, deren Asylverfahren abgelehnt und rechtskräftig abgeschlossen ist sowie von Personen, die Straftaten begehen. Auch sollte die Bundesregierung kritisch hinterfragen, ob nicht durch die Ausweitung von Sozialleistungen Anreize für weitere Migration geschaffen werden“, betont Stegmann.
Auch die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sowie der Familien mit ei-
nem erhöhten Jugendhilfebedarf nimmt weiter zu. Dadurch steigen die Jugendhilfe-
kosten, die die Landkreise selbst stemmen müssen, deutlich an. „Wir können diese
hohen Kosten nicht weiter tragen und fordern deshalb den Freistaat Bayern dazu auf,
diese Kosten zu erstatten“, so die Landkreisvertreter einhellig.
Landrat Stegmann betont abschließend, dass es der gemeinsame Wille aller Land-
kreisvertreter ist, Menschen, die zu uns kommen, adäquat unterzubringen. „Wir stoßen
jedoch zunehmend an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit und fordern daher drin-
gend, dass die Bundesregierung die Probleme der Kommunen wahrnimmt und unter-
stützt. Nur dann können wir auch künftig diese Herausforderungen bewältigen und den
Geflüchteten eine sichere und menschenwürdige Unterbringung bieten.“
Bildunterschrift: v.l.n.r.: Andrea Degl (Geschäftsführendes Präsidialmitglied Bayerischer Landkreistag), Barbara Schretter (Regierungspräsidentin Regierung Schwaben), Dr. Hans Reichart (Landrat Günzburg), Elmar Stegmann (Landrat Lindau (Bodensee)), Martin Sailer (Landrat Augsburg und Bezirkstagspräsident), Thorsten Freudenberger (Landrat Neu-Ulm), Stefan Rößle (Landrat Donau-Ries), Markus Müller (Landrat Dillingen a. d. Donau) und Alex Eder (Landrat Unterallgäu)
Bild: Landkreis Lindau/Angela Wolf